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Khandalvala: Dr. Heinrich Hensoldt's Alpdrücken. 477
Holz fing auf einmal zu brennen an und konnte nun als
Fackel dienen. Nachdem die beiden aus dem Inneren der
Höhle wieder in das Freie getreten waren, forderte der
Adept seinen Begleiter auf, er möge doch einmal nach dem
Felsen schauen, und sonderbar — Herr Dr. Hensoldt sah
weder einen Fels, noch einen Hügel, nichts als Sandflächen
ringsum. Etwas Aehnliches fand statt, als die beiden vor
den schneebedeckten Höhen des Himalaya standen: der
Adept erging sich zuerst auf Tamilisch mit grosser Breite
über das Trügerische der Materie, dann winkte er mit
der Hand und siehe da: die Berge waren plötzlich verschwunden
; der Herr Doktor starrte ins Leere. — Während
seines sechsmonatlichen Zusammenseins mit Kumra machte
der Herr Doktor sehr energische verzweifelte Anstrengungen
, zu etlichen dieser Geheimnisse den Schlüssel zu erhalten
; allein es wurde ihm bedeutet, dass es so etwas wie
einen Studienkursus für Esoterik nicht gäbe. Es kam ihm
nun der Gedanke, nach Tibet zu wandern und dort an der
berühmten Urquelle der esoterischen Lehre den Okkultismus
zu studieren. Der schlaue Kumra entdeckte aber sofort
, was in seiner Seele vorging und sagte ihm, dass, wenn
er auch nach Tibet pilgere, er doch nicht fände, was er
suche.*)
Mit Kumra zusammen lebten noch vier andere Adepten;
und von allen schreibt unser Gewährsmann, dass sie sich
mit gekochtem Eeis und Fisch mit Curry ernährten.
Wirklich eine recht feine Speise für den grossen Adepten
des Herrn Doktor! Der Artikel enthält übrigens dessen
Porträt mit der Aufschrift: »Kumra Sarni, der Philosoph
von Srinagar, einer der höchstentwickelten Adepten
Indiens." Dies Bild stellt einen alten Mann mit einem
langen, weissen Bart dar, der eine Kofbedeckung trägt, wie
ein Soldat der bengalischen Lanzenträger. Sonderbar ist
nur, dass man in Srinagar, in dessen nächster Nähe dieser
hochentwickelte Adept leben soll, ihn als solchen gar nicht
kennt.
Die Erlebnisse des Herrn Doktor zeigen uns diesen als
einen hochgradig beeindruckbaren und für hypnotische Beeinflussung
sehr empfänglichen Mann. Seine Darstellung
liest sich wie eine geschickte Erzählung von alten indischen
Wundergeschichten, allerdings Wunder, die, wenn man sie
genauer verfolgt, sich als recht gewöhnliche Dinge heraus-
*) Das Kähere über alle diese Mitteilungen findet der Leser
im ,/Vahan4' (unabhängige Monatsschrift für Theosophie) Leipzig
{0. F. Heyne, Elisenstrasse 75) September - und Oktoberheft 1905:
„Unter den Adepten von Serinagur" von Dr. Rensoldt.
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