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De Fremery: Anleitung zur Kenntnis des Spiritismus. 519
gestern Nacht erschienen?", fragte Frau A. „Ja, etwa um
drei ühr nachts. Wir haben miteinander ein Gespräch geführt
Erinnerst du dich nicht mehr daran?"
Sowohl Mann als Frau sahen hierin den entscheidenden
Beweis, dass mehr als die gewöhnliche Annahme einer
Traumphantasie erfordert wird, um diesen visionären Ausflug
zu erklären.
Es würde natürlich genügen, in diesem Falle eine telepathische
Halluzination anzunehmen. Allein die Analogie
mit Doppelgehen ist so gross, dass die Erfahrung von Frau
A. gleich gut darunter untergebracht werden kann. In
diesem Licht gesehen, wird es deutlich, dass die Materialisation
der objektiv wahrnehmbaren Selbsterscheinung nur
in ganz geringem Grad stattzuhaben braucht. In der Tat
musste die Doppelgängerin so dünn sein, dass die Zimmerwand
und der Baum vor dem Hause ihre Bewegung nicht
merklich hinderten, während die Schildwachen sie nicht bemerkten
. Erst für das sehr sensitive Fräulein X. M. wurde
die Gestalt wahrnehmbar. —
Dass es objektiv wahrnehmbare Selbstprojektionen
des Menschen gibt, ist durch die Handlungen von Doppelgängern
und durch die photographischen Aufnahmen, die
man von einzelnen dieser Erscheinungen hat machen können,
überzeugend bewiesen. Die aus den telepathischen Erscheinungen
schon früher abgeleitete Wahrscheinlichkeit
davon ist zur Gewissheit gestiegen. Jetzt erhebt sich
die Frage, welche Vorstellung wir uns ^on der menschlichen
Natur machen müssen, um Erscheinungen dieser Art
richtig zu erklären.
Der Materialismus, der aus der mechanischen Tätigkeit
unseres Organismus einen mechanischen Ursprung abgeleitet
hat, ist dazu nicht im stände. Er sieht im Stoff
die Bedingung unserer Existenz. Alle Eigenschaften,
körperliche wie geistige, sollen ihren Ursprung im Stoff
haben. Der Gedanke ist eine Hirntätigkeit, der Wille eine
Kraftäusserung und das Gewissen eine Denkgewohnheit geworden
. In unserer Entwicklung und Bildung besitzen
wir das Erbe eines zahlreichen Vorgeschlechts, das seinen
Ursprung in den weitentlegenen Zeiten hat, als unter dem
Einflüsse chemischer und magnetischer Wirkungen die
Stoffatome sich zu Zellengruppen zusammenfügten.
Das Protoplasma ist ein geheimnisvolles Zellgewebe,
das die Keime zum Bauen so vieler und so mannigfaltiger
Dasein sformen enthält. Gibt man ihm andere Lebensbedingungen
, so entwickelt es sich nicht bloss nach den
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