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538 Psychische Studien. XXXIII. Jahr*?. 9. Heft. (September 1906.)
wegung den Anforderungen des Kulturlebens gerecht wird,
kann sie diesem nützen und zu seiner geistigen Befruchtung
dienen. Bisher sind in der Bewegung dazu Mittel und
Werkzeuge ausgebildet worden; aber es gilt erst sie
richtig zu verwenden. Grundlegende Anfänge der Forschung
sind gemacht; die systematische Ausarbeitung ist Sache
unserer Zukunft.
Hiervon hängt es ab, ob die Bewegung ihren Zweck
erfüllen wird und ob sie dauernden Bestand hat. Dreifach
wiederum sind die E r f o r d e r n i s s e, die verwirklicht
und vereinigt sein müssen im Kreise derjenigen, die
im Mittelpunkte der Bewegung stehen, die sie tragen und
die sie verantwortlich vertreten: ethische, mentals und spirituelle
Durchbildung.
1. Das ethische Erfordernis ist, dass das Streben
nach der eigenen Glückseligkeit vollständig der Verwirklichung
von Idealen der Gesamtheit aufgeopfert wird, dass
man nach eigener Entwickelung nur um der Entwicke)ung
der Menschheit willen strebt, dass sich das Wollen auf die
Absicht richtet, anderen zu helfen und der Förderung aller
zu dienen; kurz, Selbstopferwilligkeit im Dienst der Menschheit
. Annie ßesant hat in ihrer meisterhaften Weise diese
Forderung als Summe eines Vortrages über „den inneren
Zweck der Theosophischen Gesellschaft" (wie schon oben
in dem Motto angegeben) ausgesprochen: „Strebe stark
zu sein, nicht dass nur du stark seiest, sondern dass die
Menschenwelt stark werde. Strebe weise zu sein,
nicht dass nur d u weise seiest, sondern dass die We 11 um
so viel weiser werde. Strebe herzensrein zu sein,
nicht dass nur d u rein seiest, sondern dass die ganze
Welt der Reinheit näher kommt, die göttlich ist. Trachte
nicht nach deiner eigenen Freude, nicht nach deiner eigenen
Glückseligkeit, nicht nach der eigenen Befriedigung. Trachte
nur nach der Förderung der Welt und nach der kleinen
Hilfe, die du dazu leisten kannst.'*
2. Das mentale Erfordernis ist die Ausrüstung mit
dem Wissen und Erkennen unserer Zeit, die Kenntnis der
erforschten Tatsachen auf den betreffenden Gebieten und
die Kenntnis der Schlussfolgerungen, die bisher an Theorien
und Anschauungen aus diesen Tatsachen gezogen worden
sind. Ganz ohne Kenntnis dieses Wissens-Materials
und seiner Fragen und Probleme ist es auch als
Theosoph unmöglich, an der Geisteskultur unserer Zeit mitzuarbeiten
. Ohne dieses Wissen ist es unmöglich, die
Schwierigkeiten zu verstehen, die bisher die geistige Erkenntnis
hemmen und den Geistes-Zufluss hindern. Ohne
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