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Maier: Zur Erklärung der Wünschelrute.
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von beiden Seiten des Chamonixtales, namentlich nach starkem
Regen, zahlreiche kleine Wasserläufe, bald über der
Erde, bald in den Spalten des Gesteins verschwindend, zur
Arve hinabstürzen. Alle solche unterirdischen Läufe, und
— wenn sie bei rauhem Bett rasch fliessen — auch die
oberirdischen, zeigt die Rute unfehlbar an; ebenso wird
sie beim Ueberschreiten der brausenden Arve oder des vom
Gletscher stürzenden Arveiron zum Ausschlagen gebracht.
Beim Ueberschreiten eines erst kürzlich zugeworfenen
Grabens auf dem rechten Arveufer am Fusse der Flegdre,
wo eben eine Wasserleitung nach dem Dorf Les Tines gelegt
wurde, senkte sich nun am 4. Juli die von Fr. frisch
geschnittene Weidenrute. Er folgte dem Graben bis an die
Arve, wo dieser vor einer über den Fluss führenden Holzbrücke
noch offen war und in ihm ein etwa 4 cm weites
eisernes Rohr lag, aus dem sich durch ein 1,5 cm weites
aufgesetztes Mundstück ein Wasserstrahl in weitem Bogen
ergoss. Sobald nun Fr. mit seinem ihn begleitenden Sohne
das Rohr rechtwinklig überschritten oder auf dem Rohrgraben
bergauf, also dem laufenden Wasser entgegengingen,
funktionierte die Rute, während beim Abwärtsschreiten
keine Wirkung zu verspüren war. Plötzlich hörte aber auch
die Wirkung beim Ueberschreiten auf und, als Fr. sich
verwundert umsah, bemerkte erf dass ein dort beschäftigter
Arbeiter das Mundstück des Rohres durch Einstecken des
Fingers verschlossen hatte; sobald er es wieder öffnete,
trat die Wirkung nach einigen Sekunden wieder ein. Nachdem
die Leitung über die Arve geführt und in zwei mit
Ventilen verschlossene Röhren geteilt war, wiederholte Fr.
das Spiel an mehreren Tagen und liess, um nicht wieder
einer Selbsttäuschung bezichtigt zu weiden, seine Versuche
durch den Geh. Baurat R. Richard aus Magdeburg und
den Geh. Baurat Janssen aus Bromberg kontrollieren; auch
wenn ersterer ohne Wissen von Fr. die Leitung schloss und
öffnete, versagte die Rute dementsprechend, um erst 15 bis
20 Sekunden nach dem Oeffnen den Strom wieder anzuzeigen
. Fr. ist nun vollkommen überzeugt, dass die vom
Wasser durch Reibung erzeugte Elektrizität
die Ursache ist, die bei besonders empfindlichen
Personen die Bewegung der Rute hervorbringt,
sobald sich das betr. „Medium" dem elektrischen Strome nähert.
Genau in der gleichen Weise, nur mit verschiedener Kraft,
trat die Bewegung der Rute auf, wenn Fr. mit ihr die
Schienen der elektrischen Eisenbahn Chamonix-Argentieres
überschritt oder sich Starkstromleitungen, ja auch den gewöhnlichen
Telegraphenleitungen näherte. —
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