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554 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 9. Heft, (September 1906.)
Auch der zweite Einsender, Baurat Beyerhaus, ist
überzeugt, dass es sich dabei in der Tat um elektrische
Erscheinungen handelt. Nach den neueren Forschungen
besteht nämlich nicht nur bei Gewittern, sondern zu allen
Zeiten ein beträchtlicher elektrischer Spannungsunterschied
zwischen der stets positiv geladenen Luft
und der negativ geladenen Erde, worüber die exakten
luftelektrischen Messverfahren neuerdings viel Klarheit geschaffen
haben. Darnach nimmt das elektrische
Potentialgefälle der Luft von oben nach unten bis
zur Erdoberfläche allmählich bis auf Null ab und wird von
hier abwärts ins Erdinnere negativ. Der Abstand der sog.
Potentialflächen von einander hängt offenbar neben anderen
Ursachen von dem Leitungsvermögen des betr. Stoffes
(oben Luft, unten Erde) ab. Da nun trockene Erde ein
weit schlechterer Leiter ist als Wasser, so muss an begrenzter
Stelle vorhandenes Wasser ein höheres elektrisches
Potential, bezw. eine höher gespannte negative Elektrizität
aus der Tiefe in die Nähe der Erdoberfläche bringen und
in der darüber liegenden Luft durch Influenz eine Steigerung
der positiven Spannung erzeugen.
Dass nun durch die Wünschelrute das Vorkommen,
insbesondere von gutem, frischem Wasser, im Gegensatz zu
schlechtem, abgestandenem (sog. brakigem) Wasser aufgespürt
werden kann, erklärt sich daraus, dass das aus
grösseier Tiefe kommende und reger strömende reinere
Wasser eine höhergespannte Elektrizität mitbringt
. Da aber erfahrungsgemäss elektrische Spannungen
nicht ohne Einfluss auf den tierischen bezw. menschlichen
Organismus und besonders auf das Verhalten der Nerven
und Muskeln sind, so werden ohne Zweifel Wechsel in
der Grösse der elektrischen Spannung von
besonders dazu veranlagten, sensibeln Personen instinktiv
empfunden, wobei u. E. das von du Vrel angenommene Mitwirken
einer monoideistischen Autosuggestion
noch als weiterer wesentlicher Faktor mit in Betracht käme.
Nachdem so die Grundursache erkannt ist, bleibt nicht
ausgeschlossen, dass sich derselbe Zweck durch andere, noch
zuverlässigere und genauer funktionierende Instrumente erreichen
lässt. Ein schweizer Ingenieur soll auch bereits
eine diesbezügliche Vorrichtung erfunden haben, die auf
dem Einfluss der Elektrizität auf eine Magnetnadel beruht.
— Schliesslich weist B. noch darauf hin, dass es bei dem
ausserordentlich hohen elektrischen Leitungsvermögen der
Metalle nicht undenkbar ist, dass auch grössere Metalllager
nach den dargelegten Grundsätzen aufzufinden sein möchten.
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