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558 Psychische Studien. XXXIIL Jahrg. 9. Heft. (September 1906.)
pazen der Dschungeljagd auszuruhen und die letzten Vorbereitungen
zu meinem Einmarsch nach Zentralasien zu
treffen.
In so einem Hindudorfe ist absolut nichts zu bekommen.
Am ersten Tage hatte ich Glück und angelte einen fünf
Pfund schweren Karpfen aus einem der toten Flussarme.
Dann schoss ich jeden Tag meinen Bedarf an Tauben,
Baltimore - Ducks und grossen Türkenenten, — ja sogar
einen Zwerghirsch, der eine famose Abwechselung gegen
den elenden Konservenfrass von Corned Beef und Irish
Stew bot. Und gestern kam mein einziger Diener — Khan-
zama — Maitre d'hotel, Stallmeister, Kammerdiener und
Leibjäger in einer Person — angetanzt und bat mich fast
kniefällig um „little, little, little der": wieder um einen
kleinen Hirsch oder einige Wildenten, da die fanatischen
Hindus ihm, dem Mohammedaner, weder Hühner noch, wie
ich es verlangt hatte, ein kleines Kalb verkaufen wollten.
Mittags hatte ich die letzte halbe Ente mit schlechtem
Reis und natürlich ohne Brot hinabgewürgt, und gegen
fünf Uhr brachte mir mein Diener mit so flehenden Gebärden
meinen Drilling und winselte so jämmerlich nach
einem Stück Wild, dass ich meine Schreibereien unterbrach
und loszog. Ich kenne bereits jeden .Fussbreit der riesigen
Sandbank am Brahmaputra, einer Sandbank, die sich in
einer Länge von fünfzehn und einer durchschnittlichen
Breite von vier Kilometer in ungeheuerem Bogen südlich
vom schmalen Winterbett des Flusses bis in die nächste
Nähe von Goalapara hinzieht und deren tischglatte, von
leichtem, festem Sand gebildete Fläche nur an etwa zwanzig
verschiedenen Stellen durch meilenlange stagnierende Gewässer
und tote Arme unterbrochen wird.
Vom ersten Tage angefangen bis heute habe ich jeden
Tag dieses riesige, von keiner noch so geringen Erhöhung
unterbrochene tote Flussbett überschritten, und zwar fast
stets an denselben Stellen, und war immer meinem bereits
ganz den Fluss entlang ausgetretenen Fusspfad gefolgt.
So auch heute. Als ich an das steil und brüchig zu der
riesigen Bank abfallende Ufer komme, geht gerade die
Sonne unter, und ich habe das Glück, eine der grossen
Türkenenten, die ich alle schon persönlich kenne, mit der
Kugel (denn mit Schrot bleiben sie nicht liegen) zu fehlen,
und, da ich weiss, dass sie nun im letzten toten Arm —
kaum mehr eine Meile vom Fluss entfernt — einfallen werden
, so entschliesse ich mich nach einigen geheimen Seufzern
zum Nachgehen; denn, wie ich gerade noch mit dem Zeiss-
Glas entdecken kann, müssen sie hinter dem tiefen Ein-
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