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Literaturbericnt.
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begriffe Vernunft - Unvernunft die ganze Welt umfasst und durch
den hinzutretenden Begriff der absoluten Notwendigkeit jeden
Pessimismus und Optimismus aus der Betrachtung wegweist, Idealismus
und Realismus aber aus einem höheren Gesichtspunkte vereinigt
. Und so meint der Verfasser: „Meine Philosophie ist also
der Gipfel, in den die gesamte philosophische EntWickelung der
vergangenen Jahrtausende ausläuft/ — Das zweite Schriftchen ist
weniger anspruchsvoll: es will kein neues philosophisches System
aufstellen; es will nur möglichst klar und verständlich „den Glauben
eines heutigen Naturwissenschaftlers über Stoff, Kraft, Seele,
Jenseits und Gott zusammenfassen*, — was immerhin eine umfängliche
und doch nicht so ganz leichte Aufgabe zu sein scheint. Die
Sprache, in der ihre Lösung versucht wird, ist etwas holprig, die
Anwendung wissenschaftlicher Ausdrücke nicht immer korrekt,
wenn z. B. durchgängig «Reaktion* anstatt „Wirkung* gesagt wird
(also nicht für „Gegenwirkung*). Es wird dargelegt, wie aus dem
Aether als der Utsubstanz aller Stoff entsteht, dessen Gebilde, unorganische
ebenso wie organische, mit Bewusstsein begabt sind, das
auch den Gestirnen anzuschreiben sei. Mit dem Zerfall eines solchen
materiellen Gebildes müsse auch das ihm innewohnende Bewusstsein
aufhören; es verschwinde ebenso „wie jenes, welches wir
vor der Geburt hatten*, sodass von einem Jenseits, einer Unsterblichkeit
der Seele nicht die Rede sein könne. Das ewig Wirkende
ist dem Verf. lediglich die Materie: weil sie i s t, schafft sie ohne
Ende weiter; „Zweckmässigkeit und Verstand, oder an Verstand gebundenen
Willen ihr beizumessen, wäre nur ein törichter Anthropo-
morphismus.* Wernekke.
Annie Besant. Der Mensch und seine Körper. Eine theosophische
Studie. Autorisierte Uebersetzung von Günther Wagner. Zweite
vermehrte Auflage. Leipzig, M. Altmann, 1906. (113 S. 8°. M. 1.50.)
Dass die Materie sieben Aggregatzustände habe - den festen,
flüssigen, gasförmigen und vier ätherische —, dass die astrale Materie
sieben entsprechende Aggregatzustände habe, dass der Mensch einen
siebenfachen Körper habe — nämlich den dichten materiellen Körper
, den ätberischen Doppelkörper, den Astralkörper, den Denkkörper
, den Kausalkörper und den spirixuellen Körper, ja, dass er
sich zeitweilig noch einen weiteren künstlichen Körper bilden
könne, in dem er von Land zu Land wandern, auch in die mentale
Welt übergehen kann, um dort neue Wahrheiten zu lernen und die
so gesammelten Schätze m das wache Bewusstsein zurückzubringen:
— das sind für den indischen Theosophen feststehende Tatsachen.
Wie weit er sie an sich selbst erfahren hat, scheint er dem Uneingeweihten
nicht gern verraten zu wollen; von wem ui)d auf welchem
Wege alle diese Subtilitäten festgestellt worden sind, bleibt ebenfalls
verborgen. Es gehört also eine ganz besondere Empfänglichkeit
dazu, um auf solche Lehren einzugehen, und man muss gewärtig
sein, wegen geringer Empfänglichkeit auch noch gescholten
zu werden, was um so auffälliger ist, als der Theosoph gar viel und
schön von weltumfassender Brüderlichkeit zu reden weiss. Von
Frau Besant ist freilich anzuerkennen, dass sie ihre Lehren mit Begeisterung
, aber ohne alle unfreundlichen Ausfälle gegen Andersdenkende
vorträgt, augenscheinlich mit dem wirkliehen Wunsche,
diesen Lehren neue Anhänger zuzuführen und sie zur Erstrebung
von Fähigkeiten anzueifern, mit denen sie bereichernd und beglückend
für sich selbst und andere wirken können, ja Jedem auf
seine eigene Weise, den Mineralien, den Pflanzen, den Tieren und
den Menschen helfen können*. Wemekke.
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