http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1906/0617
Deinhard: Ans dem Gebiet der Metaphysik.
595
Aus dem Gebiet der Metaphysik.
Von liiidwig- Deinhard (München).*)
Die Probleme, die im Folgenden kurz erörtert werden
sollen, sind 1) das Problem der Metempsychosis oder Palin-
genie, d. h. der wiederholten Verkörperung der menschlichen
Seele; 2) das Problem der sogenannten Psychometrie —
eines visionären Zustandes, der nicht auf Halluzinationen
beruhen, sondern mit tatsächlichen Vorgängen, die der Vergangenheit
angehören, in kausalem Zusammenhang stehen
soll. Diese beiden Probleme wollen wir hier etwas näher
ins Auge fassen. Vielleicht gelingt es uns, sie einigermassen
ihres „mystischen" Gewandes zu entkleiden.
Was die Idee einer Metempsychosis anlangt —
d. h. die Vorstellung, dass sich die Menschenseele so lange
immer und immerfort wiederverkörpere, als sie dadurch neue
Fähigkeiten zu erringen vermag, so hat sich der englische
Philosoph und scharfsinnige Skeptiker David Hume (1711 bis
1776) über diesen Gedanken folgendem)assen ausgesprochen;
„Metempsychosis ist das einzige philosophische System der
Unsterblichkeit, das sich hören lässt.44**)
Ferner wirft Lessing in dem Absatz 98 seiner „Erziehung
des Menschengeschlechts64 die folgende Frage auf:
„ Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue
Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin?
Bringe ich auf einmal so viel weg, dass es der Mühe, wieder
zu kommen, etwa nicht lohnet?"
Der grosse Satiriker und Physiker Georg Christoph
Lichtenberg (1712—1799) schrieb: „Ich kann den Gedanken
nicht los werden, dass ich gestorben war, ehe ich geboren
wurde, und durch den Tod wieder in jenen Zustand zurückkehre
."
Am 25. Januar 1813 (Wielanäh Begräbnistag) sagte
*) Erschienen in Nr. 91 des „Bammler" vom 31. Juli er. als
Vorwort zu der in den laufenden Nummern veröffentlichten Novelle
: „Die Memnonskolosse*, die wegen der darin behandelten
metaphysischen Probleme einer ausdrückliehen Rechtfertigung zu
bedürfen schien, um dem Vorwurf zügelloser Phantasterei vorzubeugen
, den der an solche Fragen nicht gewöhnte Leser leicht erhebet
» könnte. Der Verfasser dieser Novelle wollte deshalb ihrem
Erscheinen in jenen Blättern ein paar Bemerkungen vorausschicken,
die den Beweis liefern sollten, dass sehr besonnene Denker von anerkannter
Bedeutung sich über die hier besprochenen Fragen, bezw.
Tatsachen im selben oder doch in einem sehr ähnlichen {Sinne ausgesprochen
haben. — Red.
**) David üume: »Essay on Suicide* (Basel, J, Becker, 1799).
39*
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1906/0617