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Hübbe-Sohleiden: Die Theosoph. Bewegung und ihre Verlästerung. 609
Andererseits hat man sich nun beschwert, dass ein
Vermächtnis, das ein Herr Fuente zur Verwendung
lür die Strebensziele der Gesellschaft hinterlassen hat, von
Olcott und Frau Besani nicht im Sinne des Erblassers angewendet
worden sei. Diese Beschwerde würdigt nicht gebührend
die Tatsache, dass besondere briefliche Verfügungen
des Erblassers vorlagen. Dies erklärte Frau Besant in
einem kurzen Schreiben von Benares (5. Mai 1905) an den
Herausgeber des „Vahan" in Leipzig. Ein Teil dieses
Schreibens findet sich in dessen Julihefte 1905 (S. 3) abgedruckt
; das vollständige Schreiben aber ward im Junihefte
1905 des Londoner „Vahan" (S. 86) veröffentlicht.
Darin fährt Frau Besant nach der im Leipziger „Vahan"
übersetzten Stelle fort: „Ein Mann hat doch das Recht,
über sein Geld zu verfügen wie er mag. Wenn Sie aber
auch diesen Mann deswegen tadeln wollen, dass er über sein
Vermögen nicht so disponiert hat, wie Sie es für richtig
hielten, so ist doch kein Grund, warum Sie uns, seine
Testaments - Exekutoren (Frau Besant und Olcott), tadeln
sollten, dass wir treulich unsere Pflicht erfüllten. Sowohl
gesetzlich, wie moralisch waren wir gebunden, das zu
tun, was er gesagt hatte; und es wäre schamlos gewesen,
wenn wir das Vertrauen des Verstorbenen missbraucht
hätten, indem wir anders über sein Geld verfügt hätten, als
wozu er es bestimmt hatte." —
Bei allen Angriffen auf die Gesellschaft, die ihr einen
angeblichen Personen-Kultus vorwerfen, wundert es
mich, dass den Angreifern nicht die offenbare Parallelität
des Für und Wider auffällt. Ebenso verkehrt wie ein
Personen -Kultus scheinen mir auch die Personen -Angriffe
. Beide bewegen sich auf ganz demselben niederen
oder kindlichen Niveau. Wem es nur um die Sache zu
tun ist, der befasst sich ebenso wenig mit dem Emen, wie
mit dem Anderen. Er lässt an den Leistungen aller Personen
stets das gelten, was nach seiner Meinung der
Sache dienen kann; ihre Fehler und Irrtümer aber über-
lässt er ihrem Karma, Sich mit Fehlern anderer zu befassen
, bleibt die Sache des unmündigen Volkes, das heute
„Hosiannah!" schreit und morgen „Kreuzige ihn!"
Schon der Glaube, die vermeintlichen Vergehen anderer
durch die Aufreizung der Massenstimmung
gegen sie verbessern zu können, zeigt Mangel an Urteilskraft
bei den Angreifern, falls nicht etwa ein
böser Wille sie antreibt. Selten trifft das „KreuzigeI"
den wirklich Schuldigen. Ist aber jemand schuldig, so
bessert ihn nicht das Geschrei der urteilslosen Menge,
Psychische Studien. Oktober 1906. 40
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