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Haenel: Zur Psychologie einiger sog. okkulter fhänomene. 621
suchen hat man nun durch Aufzeichnen und Sichtbarmachen
dieser Zitterbewegungen gefunden, dass nach einiger Zeit
in dieselben von allein eine gewisse Regelmässigkeit kommt;
und zwar ist ihre Zeitfolge bei verschiedenen Teilnehmergruppen
verschieden, indem zum Beispiel die eine Hälfte
acht, die andere neun Bewegungen m der Sekunde ausführt
. Nach den Gesetzen der Interferenz müssen
diese verschiedenen Schwingungen sich periodisch gegenseitig
abschwächen und verstärken, und werden schliesslich
stark genug, um dem Tische eine kleine Bewegung zu erteilen
. Sobald diese von den Teilnehmern oder auch nur
von einem derselben bemerkt wird, wirkt sie als suggestives
Moment, erweckt die Vorstellung einer bestimmten Richtung,
diese wirkt wieder ihrerseits auf die unwillkürlichen Bewegungen
ein und verstärkt sie in der einmal eingeschlagenen
Folge und Richtung, so dass schliesslich eine dem
automatischen Schreiben vergleichbare, geordnete und doch
unbewu8ste Bewegung der Hände und Arme das Ergebnis
ist. Wenn die Teilnehmer auch fest überzeugt sind, nicht
nachzuhelfen, so setzen sie doch die einmal angefangene
Bewegung durch ihre eigene Muskeltätigkeit fort.*) — Dass
für die Entstehung der Klopftöne eine Menge sehr natürliche
Wege gangbar sind, und dass in einem grösseren oder
kleineren Kreise, in dem wohl stets der oder jener Eingeweihte
oder „medial" Veranlagte sitzt, die unbemerkte Hervorbringung
kurzer Geräusche auch ohne übernatürliche
Mitwirkung möglich ist, bedarf keiner näheren Begründung*
Hingewiesen sei dabei nur auf die physiologische Tatsache,
dass eine Ortsbestimmung durch das Gehör, das heisst eine
Angabe, an welchem Orte der gehörte Ton entstanden ist,
nicht oder so gut wie nicht möglich ist. Jeder Bauchredner
kann uns das ohne weiteres beweisen. Die Angaben
von Teilnehmern an spiritistischen Sitzungen, dass die
Klöpftöne unter dem Tisch, in einer leeren Zimmerecke,
in der freien Luft hervorgebracht worden seien, bedürfen
also sehr der Einschränkung. —
Wenn ein Medium von ganz besonderer Begabung
einer Sitzung beiwohnt, so können als weitere Mani-
*) Die Hauptfrage, wie es denn wohl „natürlich", bezw. physiologisch
zu erMären wäre, dass durch derartige nnwillkürliche
Muskelbewegungen unbewusste Gedanken, bezw. latente Erinnerungen
, hie und da aber auch „Mitteilungen* mit geradezu verblüffendem
intelligentem Inhalt, die — wenigstens scheinbar — von
Verstorbenen herrühren, bezw. nur diesen bekannt gewesene Vorkommnisse
erwähnen, herausgeklopft werden, bleibt bei obigem
Erklärungsversuch völlig ungelöst. — üed.
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