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624 PaycWsehe Stadien. XXXUi. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1906.)
Stellung nahm, beschäftigte sich auch im Piemontesischen
ein Geistlicher damit und kam zu dem Schluss, dass ja diese
Phänomene längst durch die Geschichten der Heiligen verbürgt
seien, zu denen sie Erklärungen liefern könnten. Er
fasste seine Betrachtungen in einem Buche zusammen, das
aber nach Erscheinen sofort auf den Index der verbotenen
Bücher kam, während er selbst seines Amtes enthoben
wurde.
Heute soll nun der Spiritismus Eingang am Hofe des
Papstes gefunden und Se. Heiligkeit seinen Leibarzt zu
dessen Werk über den Spiritismus beglückwünscht haben.*)
Seltsam dünkte es mich, dass ein Kirchenfürst plötzlich die
durch Jahrhunderte ausgefahrenen Geleise dogmatischen
Denkens verlassen durfte, und ich beschloss, mich direkt zu
informieren, indem ich mich auf die Lektüre dieses Buches
stürzte.**)
In der Einleitung versichert der Verfasser, dass er
dem Leser alles bieten wolle, was er von dieser Materie
gelernt habe, teils durch persönliche Beobachtung, teils
durch geduldige und genaue Analyse der Tatsachen, weiche
Naturwissenschaftler, die bezüglich ihrer Lehre und ihrer
Ehrenhaftigkeit der Wertschätzung aller sich erfreuen, gesehen
, konstatiert, bewertet und berichtet haben. Der flyp-
notismus ist ihm heute vollkommen Domäne der positiven,
besonders der physiko-pathologischen Wissenschaften. „Bezüglich
des Spiritismus", sagt er zurückhaltend, „überlasse
ich es dem Leser selbst, ob er die von
mir referierten Tatsachen für wahr hält,
und ob ihm deren von mir gegebene Erklärungen richtig
erscheinen."
In den ältesten Zeiten findet er in dem berichteten Verkehr
Lebender mit Verstorbenen den Beweis frühester Verbreitung
des Spiritismus. Die Liturgien der Brahminen in
den indischen Tempeln bilden wie früher, so heute noch die
überlieferte Praxis der Totenbeschwörung, und die Eakire
und niederen Priester seien mit den dazu nötigen Operationen
vertraut. Der Verkehr mit Geistern trat zum grossen Teil
in die Praxis der Mysterien des Isis- und Osiriskultus der
Aegypter ein, deren Priester Magier waren. Von ihnen
lernten Moses und Aaron das Wunder der Verwandlung
des Stabes in eine Schlange und das Wasserschlagen aus
dem Felsen. Aber die spiritistische Praxis habe sich auch
*) Vergl S. 378|9 und 556 der „Psych. Stud.« er,
**) Giuseppe Lapponi, „Ipnotismo e Spiritismo. Studio medico
critico*. 2a edizione. — Roma 1906. (216 Seiten, kl. 8°.)
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