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Wenfcel-Ekkehard: Spiritismus und Katholizismus. 627
an die Echtheit der berichteten Phänomene
zu glauben. „Denn unser Mangel an persönlicher
Beobachtung hindert uns nicht, die Existenz der
Magelhaensstrasse anzunehmen, den Bau des Panamakanals
für möglich zu halten, mit Selbstverständlichkeit
von den Werken zu Terranova zu reden, obwohl wir sie
nie gesehen, und von tropischen Krankheiten als Faktum
zu sprechen, obwohl wir nie Gelegenheit hatten, sie selbst
zu studieren, sondern uns einzig auf den Bericht der dortigen
Aerzte verlassen müssen.11 Das ist gewiss ein weises Wort,
aber es ist nur ein Kompliment vor der Wissenschaft; nicht
dem Spiritismus gilt es. [? — Ked.]
Ist Verf. in Anerkennung der Tatsachen freimütig, so ist
sein Urteil in der Bewertung derselben ebenso einseitig wie
bei seinem geschichtlichen Ueberblick. Um den Spiritismus
recht beleuchten zu können, stellt er ihn dem Hypnotismus
gegenüber, von dem er ihn gründlich geschieden wissen
will. Ihm ist der Hypnotismus nichts anderes als eine Erkrankung
des Nervenzenirums, die in Hospitälern, Irrenanstalten
ebensogut wie in Klöstern und Familien beobachtet
werden kann. Den Rapport zwischen Hypnotiseur
und Hypnotisiertem stellt er als eine Konzentrierung der
Aufmerksamkeit des letzteren in dem krankhaften Schlafe
dar, die solange anhält, bis ein stärkerer Eeiz (Theater,
körperlicher Schmerz) das Gleichgewicht herstellt Als
einziges Beispiel aus der Heiligenlegende führt er den hl»
Thomas Aquinas an, der durch den Schmerz einer schweren
Fussoperation von seiner Versenkung in Gott abgezogen
worden sei. Suggestion hält er für fortwirkende lebhafte
Einbildung eines Gedankens, und Verdoppelung für eine
Art Wahnzustand; die Hervorrufung gewisser krankhafter
Störungen stellt er ähnlichen in heftigen Fiebern erzeugten
zur Seite, und das Sprechen in verschiedenen Sprachen
Hesse sich durch das Aufwachen schlummernder Vorstellungen
erklären. Er merkt nicht, dass er gar nicht erklärt
, sondern Probleme aufstellt, und empfindet nicht die
Lücke in seiner Logik, wenn er schliesst, dass bei völlig
gesunden Personen hypnotische Erscheinungen unmöglich
zutage treten können, dass vielmehr alle hypnotisch Beeinflussbaren
mit „Hypnose" resp. mit „hypnotischer Krankheit
" behaftet seien. Von diesen krankhaften Erscheinungen
will er die Phänomene des Spiritismus streng geschieden
wissen. Die Bedingungen für den Hypnotismus liegen für
ihn einzig und allein in der zu hypnotisierenden Person;
beim Spiritismus sind sie ausser durch das Medium auch
durch die Anwesenden gegeben. Beim Hypnotismus ist
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