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Knorr-Schmidt: Mediales Schreiben und Sprechen. 659
Schriften, und die Seele mit ihrem Fortleben war und ist
das unerschöpfliche Thema. Ich selbst habe so vielseitige
Interessen, das Leben drängt sich beständig in mein Innenleben
und bringt so verschiedenartige andere Betrachtungen
mit sich, dass ich , bewusst schreibend, ganz
anderen Stoff verarbeiten würde. Weshalbtutdies
nicht die unbewusst schreibende Kraft?
Diese hat sich scheinbar nur die eine grosse Aufgabe gestellt
, Gott zu verkünden und zu ihm hinzuführen. Diese
Aufgabe gelang ihr bei mir nur schwer, so schwer, dass es
Hilfstruppen bedurfte. Wenigstens gesellte sich der ersten
schreibenden Intelligenz bald eine zweite und dritte zu,
jede anders benannt, die nun im Wechsel ihres Bekehrungsamtes
bei mir walteten. Die verschieden benannten hatten
überdies, wenigstens für m e i n Gefühl, verschiedene Schreibweise
. —
Um meinen Typus nicht zu skizzenhaft hinzustellen,
muss ich die weitere Entwickelung, wenigstens in ihren
Hauptmerkmalen, aufzeichnen. Ich komme dabei auf die
herkömmliche Ausbildung zu Aposteln der empfangenen
Lehren. Nach und nach wurde ich nämlich darauf hingewiesen
, dass ich nicht für mich allein der Belehrung teilhaftig
werden solle, sondern ich hätte mich nur als Werkzeug
zu betrachten, das auserwählt sei, weitere Kreise in
die Gnade der Führung zu ziehen. Auch diese Form ist
eine typische, wie ich wiederholt bei anderen Medien beobachtete
.
Wie mir jetzt scheinen will, ging es geradezu systematisch
vorwärts, ähnlich wie man im gewöhnlichen Leben
Mitglieder für einen Verein, eine Verbindung, eine Sekte
und so weiter gewinnen will. Mit schönen Worten guten
Klanges und tiefen Inhaltes sollte ich zunächst zur Gottgläubigkeit
gebracht werden. Ich erhielt zahlreiche Gedichte
, Aphorismen und Predigten, welche darauf hin arbeiteten
. Zum Beispiel:
Gott allein ist Ziel und Ende.
Es sind im Leben wenig Stunden,
Wo wir so rechtes Glück gefunden —
Das Glück, es ist wie Sturmeswehn,
Es kommt und geht, bieibt niemals stehn.
Das Glück ist wie ein loses Blatt,
Fällt in den Schoss, und wer es nat,
Der wirft es unbeachtet fort
Und sucht nach einem andern Port.
Erst, wenn es Gott genommen hat,
Und Schmerzen gab an seiner Statt,
Erst dann geh'n uns die Augen auf,
Erst dann wird klar des Glückes Lauf.
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