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Seiimg: Ueber Theosophie.
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Dr. Hühbe-Schleiden, der in Deutschland als erster für die
moderne Theosophie eingetreten ist, in den „Psychischen
Studien" (1906, Jan.) dargetan, dass es darauf ankomme,
die theosophischen Lehren auf den für die abendländische
Wissenschaft allein giltigen Wegen zu beweisen. Abgesehen
davon, dass dies überhaupt nur für einen Teil
dieser Erkenntnisse möglich sein dürfte (wie vielleicht für
die Re'inkarnationslehre), ist die Forderung Hübbe's um so
befremdlicher, als er in seinem vortrefilichen, nicht lange
vorher erschienenen Werkchen „Diene dem Ewigen" (M.
Allmann, Leipzig) einen ganz anderen Standpunkt vertreten
hat. Da heisst es z. B., dass die theosophische Belehrung
nur zu denen spreche, „die sich von der äusseren Betrachtungsweise
zu der inneren getrieben fühlen" (S. 6);
ferner, es liege „völlig ausserhalb des Kreises der Aufgabe
eines Meisters", in den Bahnen der Wissenschaft mit zu
arbeiten (S. 14); und wiederum: „Die Kraft liegt in dem,
was man unbekannterweise und im stillen leistet. Das, was
vor der Oeffenthchkeit zu geschehen hat, ist wenig oder gar
nicht massgebend" (S. 105). Wenn es dabei nicht mehr
bleiben soll, wenn es sich vielmehr darum handelt, „den
wissenschaftlichen Beweiskriterien zu genügen", dann ist
die Theosophie als besondere Geistesrichtung vollkommen
überflüssig; denn der wissenschaftliche
Okkultismus ist durch die Schule du Prel's, bezw. durch
die Forschungsmethoden der „Society for Psychical Research
" vorzüglich bereits vertreten. Es kann nicht oft genug
betont werden, dass dieser Okkultismus kein mit
der Naturwissenschaft unversöhnliches Gebiet, sondern dass
er ihre Ergänzung ist; er will nicht etwa die Wissenschaft
mystisch, sondern die Mystik wissenschaftlich machen.
Ganz unzweideutig und in durchaus annehmbarer Weise
werden wir über das Wesen der Theosophie von Dr. Rudolf
Steiner belehrt, einem Forscher, der mir zu seiner Mission
besonders berufen scheint, da er einerseits als Theosoph
aus eigner Erfahrung spricht und andererseits die abendländische
Wissenschaft, zumal die Philosophie, in seltenem
Grade beherrscht, so dass er allen möglichen Einwänden
und Bedenken begegnen kann. Wie Steiner in seiner
„Theosophie" (M. Altmann Leipzig) und der von ihm herausgegebenen
Zeitschrift „Lucifer" ausführt, handelt es sich
bei der in Rede stehenden, von Persönlichkeiten ganz unabhängigen
Geistesrichtung weniger um ein bestimmtes
Wissen als um eine besondere Art der Forschung, die
einen ausgesprochenen Gegensatz zudem gewöhnlichen wissenschaftlichen
Verfahren bildet. Während dieses sich vor-
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