http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1906/0692
670 Psychische Studien. XXXIIL Jahrg. 11. Heft. (November 1906.)
unnötig oder gar verkehrt zu sein, ist der wissenschaftliche
Okkultismus in den allermeisten Fällen vielmehr ein ganz
unentbehrliches Durchgangsstadium zur Theosophie. Zudem
hat man es bei diesem Okkultismus nicht nur mit „irre-
führenden" Experimenten zu tun, sondern auch mit der Erforschung
von allerhand spontan eintretenden, zum Teil
spiritistischen Phänomenen, mit Bezug auf welche die theo-
sophischen Warnungen vor der Beschäftigung mit dem
Spiritismus keinen Sinn haben. Die noch lange den Ton
angebende naturwissenschaftliche Betrachtungsweise wird
sich dem Okkultismus als einer „unbekannten Naturwissensehaft
« nicht mehr verschliessen, wenn sie sich — was nur
eine Frage der Zeit sein kann - von der Tatsächlichkeit
seiner Phänomene überzeugt haben wird, während sie gegen
die Art und Weise der theosophischen Forschung stets
intolerant bleiben wird. Uebrigens ist die Naturwissenschaft
auf dem besten Wege, auch ohne Berücksichtigung
der eigentlich okkulten Tatsachen in die übersinnliche Welt
einzudringen oder doch deren Existenz zu erweisen. Die
mechanistische Lebensauffassung wird von der vitalistischen,
weiche mit der physikalisch - chemischen Erklärung der
Lebensvorgänge nicht auskommen kann, immer mehr zurückgedrängt
. So schreibt z. B. der ausgezeichnete Biologe
R. France im Vorwort zu seiner „Pflanzenseele" (Kosmosverlag
, Stuttgart): „Was in hundert gelehrten Arbeiten
trotz äusserster Kritik und trotz unserer modernen extremen
Zweifelsucht immer wieder durchbricht: die Tatsache, dass
auch in der Pflanze etwas da ist, was die
Leistungen ihrer einzelnen Organe zu-
sammenfasst, beherrscht und zu höherer Einheit
verbindet, diese stets von neuem und stets in wunderbareren
Erscheinungen zutage tretende Tatsache führt jetzt einen
Gelehrten nach dem anderen zur Anerkennung einer
Pflanzenpsyche." Dnd der Zoologieprofessor Pauly nimmt
in seinem Werke „Darwinismus und Lamarckismus", in
dem er psychische Fähigkeiten der lebenden Substanz als
Ursache der organischen Zweckmässigkeiten hinstellt, sogar
keinen Anstand, sich auf du Prel zu berufen!
Die innere Erfahrung ist nicht die einzige Quelle, aus
welcher die Theosophie ihr Wissen schöpft; sie empfängt
es zum Teil auch von höher entwickelten Wesen (Meistern
oder Mahatmas), die entweder als Menschen verkörpert
sind oder nicht. Ueber die Möglichkeit der Existenz unsichtbarer
Lehrer oder Helfer verliere ich weiter kein
Wort, sondern bemerke nur, dass auch Goethe von ihnen
gewusst hat; es sind die „unbekannten höheren Wesen",
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1906/0692