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698 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 11. Heft. (November 1906.)
moralische Hetzreden, wie „arbeitsscheuer Schwächling* aus seiner
biologisch begründeten Lebensgleichgiltigkeit wieder aufrütteln, und
er rafft sich zu einem letzten krampfhaften Verzweiflungskampfe
ums Dasein auf, der ein „Sport ums Dasein" genannt werden darf,
um das Massverhältnis zwischen der grossen Kampferbitterung und
dem geringen Kampfobjekte zu kennzeichnen. Dieser Sport hat
unter anderem die raroie. „Zeit ist Geld" geschaffen und hat eine
krankhafte Hypertrophie der aktiven auf Kosten der passiven Triebe,
ferner einen Verlust des Müdigkeitsgefühls und des individuell begründeten
Tempos der Bewegung vermittelt. Diese fast genau mit
den Worten des Verfassers (S. 42) wiedergegebene Grundbetrachtung
über die Lebensführung in der Gegenwart wird mit einer Keihe gut
formulierter Sätze eingeleitet, in denen verschiedene neue und
glücklich gewählte wissenschaftliche Ausdrücke eingeführt werden,
welche die Fassung der weiteren Ergebnisse erleichtern und umgekehrt
durch die herangezogenen Beispiele erläutert werden. Von
oen Bemerkungen über das „krankhafte Leben" der Gegenwart geht
der zweite Teil zu „neuen Wertungen* über. Trotz ihrer aphoristischen
Art sind diese Bemerkungen — über wissenschaftlichen Fortschritt
, über die Ehe, das Kunstgefühl und das religiöse Gefühl, den
Militarismus, den Alkoholismus usw. — einleuchtend und erwägenswert
. Hier sei nur eine daraus hervorgehoben (S. 78): „Die Abnahme
des religiösen Gefühls erklärt sich wesentlich aus dem immer
heftiger werdenden Sport ums Dasein. Er hat das geistige und
körperliche Bewegungstemno so gesteigert, dass es zu einer tieferen
religiösen Sammlung gar nicht mehr kommen kann. Dann erfordert
er als stärkste Waffe im sozialen Wirtschaftskampf ein unbeugsam
starres praktisches Selbstbewusstsein und verbietet daher jedes
schwächende demütig - religiöse Gefühl. Schliesslich hat er das
körperliche Irresein so gesteigert, dass das Gefühl der eigenen
Schwäche und Hilfsbedürftigkeit, welches die eigentliche Grundlage
des reRgiösen Gefühls bildet, immer mehr schwindet/ Wernekke.
Nel dominio delle percezioni oscure. Saggi di psicologia positiva del
Dr. Otinlo del Torto. Florenz, L. Franceschini. 1905 (Xl und 89 S.
gr. 80;.
„Im Reiche der dunklen Wahrnehmungen44 bewegen sich die
sechs Abhandlungen des Arztes 0. del Torto: Physiologische Skizze
der hypnotischen Zustände; psychische Uebertragung und Erinnerungen
; Theorie der psychischen Uebertragung; unbewusster Rückgang
des Gedächtnisses; Antispiritismus; Telepathie. Ursprünglich
getrennt erschienen, haben sie die gemeinsame Aufgabe, die metapsychischen
Erscheinungen materialistisch zu erklären und damit
die Entbehrlichkeit und Haltlosigkeit der spiritistischen Theorie
(als deren Vertreter unter anderen Brofferio angezogen wird) darzutun
. Die auf diesem Gebiete beobachteten Tatsachen muss der
Verf. auf Grund seiner eigenen 12 jährigen Erfahrung anerkennen ;
abweisend verhält er sich nur gegenüber den Vorgängen, die er
nicht selbst beobachtet hat: d^hin gehören die sogenannten Apporte,
das Erscheinen von fremden Gegenständen in völlig geschlossenen
Räumen. „ Wenn dergleichen einmal vorgekommen ist und hier und
da vorkommen sollte, so ist es nur ein Scherz gewesen/ Andere
Erscheinungen sind ihm erklärbar mit Hilfe der „psychischen Energie
*, einer Transformation der Nervenkraft, welche um jeden Organismus
eine ihm eigentümliche „Lebensatmosphäre" hervorruft. Alle
Wahrnehmungen hinterlassen im Gehirn dauernde Eindrücke
(Spuren — wie nach Benecke), und in der geordneten Bewegung,
welche diese Spuren in der Gehirnsubstanz bewirken, besteht das
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