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714 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 12. Heft (Dezember 1906.)
Darwirf % erstem Werke (1859) die Abstammung des Menschen
und Afien von einem gemeinsamen Primaten gelehrt
und publiziert hatte, so dass es auch hier wieder fremder
Bemühung bedurfte, um deutschen Entdeckungen, resp.
wissenschaftlichen Erkenntnissen bei uns allgemeineren Eingang
zu verschaffen.
Ein Hauptvertreter dieser Uebergangsperiode ist neben
anderen Perty. Nach ihm kann die Entstehung der Weltkörper
nicht allein nach der Laplace'sdien Theorie erklärt
werden, sondern sie setzt daneben noch das Bestehen eines
formativen geistigen Prinzips voraus, für die Erde den von
ihm sogen. Geodämon. Diese Prinzipien aller Weltkörper
sind in räumlich-zeitlicher Offenbarung begriffene Wesen; sie
verfallen in ihrer Entwickelung dem Schicksal eines jeden
Organismus, indem sie zugleich alle Organismen und anorganischen
Bildungen des betreffenden Weltkörpers, die
aus ihnen selber hervorgegangen sind, zu einer Einheit verbinden
und zusammenhalten. Hier kommen wir ganz deutlich
zur Idee von Kollektivseelen, in Anwendung auf die
einzelnen Himmelskörper, aber in einem weit spezifischeren
Sinne, als dem modernen Standpunkt entspricht. Die Einseitigkeit
, welche dem ursprünglichen Darwinismus anhaftete,
erkannte jP. genau und betonte das Unzulängliche der natürlichen
Zuchtwahl für das Zustandekommen neuer Arten.
Auch Prof. Fechner vertrat einen dem Perty sehen sehr ähnlichen
Standpunkt, indem auch er in den einzelnen Himmelskörpern
völlig selbständige Organismen sah, die wachten
und schliefen, assen und tranken, beobachteten und lernten,
entsprechend ihrer Stellung im Weltall Gradunterschiede
aufwiesen und gemeinsam der universellen Harmonie dienten.
Selbstredend würden wir bei einem tieferen Eindringen
in die Geschichte der Psychologie auf ein weit reichhaltigeres
Material stossen, als es der obige kurze Auszug bietet.
Aber immerhin genügt er schon, zu zeigen, wie die Idee
von einer Kollektivseele, durch Mystik und Dogmatik, theologische
und philosophische Spekulation, durch wissenschaftliche
und afterwissenschafthche Erkenntnis hindurchgehend,
unter häufigen Rücktlillen in älteren Barbarismus, und trotz
der verschiedenen Auffassungen derselben Bezeichnungen
seitens der einzelnen Autoren, sich allmählich jener Form
genähert hat, wie sie etwa heut zu Tage von der modernen
Naturwissenschaft akzeptiert worden ist.*)
*) Herr Dr. HnWe-SchleAden weist uns in einer dem Herrn Verf.
zustimmenden Zuschrift vom XL darauf hin, dass auch Frau
Annie Besant in ihrem Buche: „Eine Htud'e über das Bewußtsein*
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