Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
33. Jahrgang.1906
Seite: 717
(PDF, 221 MB)
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Freudenberg: üeber „Gruppenseele* u. a. „psychische* Fragen. 717

der Art erworbene und auf uns vererbte Wissen, im Gegensatz
zur Tierwelt, bei uns nicht Instinkt benennen wollen,
so ist das lediglich Geschmackssache. In der Sache aber
verdanken auch wir, neben dem was der Erzeuger persönlich
auf den Erzeugten überträgt, unsere körperlichen und
geistigen Anlagen der Herdenseele der menschlichen Spezies.
Diese Verschiedenheit der Auffassung liegt tief in dem
ungleichen Wesen der abendländischen und der orientalischen
Philosophie, in der völlig differenten Anschauung
über das Wesen der Seele überhaupt. So sagt Lafcadio
Hearn*) gewiss einer der besten Kenner des japanischen
Buddhismus: „Es ist vielleicht angezeigt, daran zu erinnern,
dass die Worte: „Seele", „Selbst", „Ego41, „Seelenwande-
rung", „Vererbung", obgleich frei von mir angewendet,
einen der buddhistischen Philosophie vollkommen fremden
Sinn ausdrücken. „Seele", in unserer Bedeutung des Wortes,
existiert nicht für den Buddhisten. Das „Selbst" ist eine
Illusion oder eigentlich tm Netzwerk von Illusionen. „Seelenwanderung
" in dem Sinne des Uebergehens von einem
Körper in den andern wird in buddhistischen Texten von
zweifelloser Autorität ausdrücklich negiert. Es wird also
offenbar sein, dass die wirkliche Analogie, die zwischen der
Lehre vom Karma und den wissenschaftlichen Fakten der

aucli beim theoretischen Studium gegenübergestanden haben mag,
einem im wirklichen Leben mehr als seltsam erscheinen mussten,
verlieren schliesslich diesen seltsamen oder phantastischen Charakter,
den ihnen das fremdartige anfänglich gab, und erscheinen nun in
einem ganz natürlichen Lichte. Sie erklären viele Dinge so gut,
dass sie förmlich rationell erseheinen, und wahrlich, einige derselben
sind auch ganz rationell, an dem wissenschaftlichen Denken
des neunzehnten Jahrhunderts gemessen. Aber um sie ganz unbefangen
zu beurteilen, muss man vorerst die abendländischen
Ideen über die Metempsychose aus seinem Geiste ausmerzen. Denn
zwischen der alten abendländischen Vorstellung der Seele — beispielsweise
der pythagoräischen oder Diatonischen — und der
buddhistischen ist gar keine Aehnlichkeit vorhanden, und gerade
wegen dieser Verschiedenheit erweisen sich die japanischen Glaubensformen
als vernünftig. Die tiefe Verschiedenheit der althergebrachten
abendländischen und japanischen Auffassung in dieser
Richtung besteht darin, dass für den Buddhisten der konventionelle
Begriff „Seele14, der vibrierende, durchsichtige, körperlose, innere
Mensch oder Geist nicht existiert. Das orientalische „Ego" ist nicht
individuell. (Man beachte wohl die ^uffassungsVerschiedenheit mit
dem oben Angeführten. Anm. des Verfassers.) Es ist nicht einmal
eine ziffernmässig auszudrückende Vielheit, wie die gnostische Seele.
Es ist ein Aggregat oder eine Zusammensetzung unfasslicher Vielfältigkeit
, die konzentrierte Summe des schöpferischen
Denkens vorhergegangener zahlloser Leben. —

*) Kokoro. Mit Vorwort von Hugo v. Boflmanmthal, Frankfurt
a. M. Butten und Löhning, 1905.


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