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722 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1906.)
Mediales Schreiben und Sprechen
in Bezug auf ihren meist religiösen Inhalt
Von Marie Knorr - Schmidt (Meeraue i. S.).
(Sehluss von Seite 662)
Momentan wurde ich ja stets gepackt, aber ebenso
schnell streifte ich ab, was mich wider Willen gefangen
nehmen wollte.
Sehr nahe ging mir folgende Mahnung, die, wie alle
echte Poesie, am eindringlichsten zu mir sprach:
„Wie ha^t du dieh, mein Herz, besonnen ?
Hast du abgestreift, was dich belastet ?
Was soll dein Zagen ? Was soll dein Zweifel ?
Eile, eile, so lange die Zeit es will---"
Das haftete länger, und ich frug, wie ich zu beginnen habe,
um den an mich gestellten Anforderungen gerecht zu werden.
Die Antwort lautete: „Vernimm: Du hast zu befolgen, was wir
dir befehlen, im Namen des Vaters, des Sohnes, des heiligen
Geistes, Amen! Was du zu tun hast, ist, dass du dich
all deines Gutes entäusserst. Wir meinen dm bildlich. Du
hast dich nur als Verwalterin zu betrachten und nichts für
dich selbst zu brauchen, als was wir dir gestatten werden
und dich tun heissen. Du wirst dabei nicht schlecht fahren,
sei ohne Sorge. Ueberlasse alles uns und füge dich unserer
Leitung. Das wäre deine erste Pflicht. Siehe in der Bibel
Seite 87, Kapitel 7, Vers 5.a Dass mir dieses Geheiss wenig
behagte, ist wohl natürlich, und der Bibelhinweis liess mich
auch kalt. Ich bin als Katholikin bibelfremd und spürte
keine Lust nach der benannten ßibelstelle, die zu finden
ich mich auch ungeschickt fühlte. Schliesslich siegte meine
Neugier, und ich frug meinen Gatten, in dessen Haus ich
als zweite Frau noch nicht lange weilte, ob eine Bibel da
sei. Es fand sich eine ganz alte vom Jahre 1704. Wir
schlugen nach und fanden: „Nimm von ihnen, dass es diene
zum dienst des Stiftes und, gibs den leviten, einem jeglichen
nach seinem amte." (Nach der Bibelorthographie.)
Wie die meisten Bibelsprüche, lässt auch dieser verschiedene
Deutung zu, und man muss zugeben, dass er nicht übel zu
dem mir gewordenen Geheiss passt. Aber auch hier gebrauchte
ich den beliebten „Zufall" als Erklärung für unverstandene
Ordnung des Weltgeistes, und so prallte
wiederum die schreibende Kraft mit ihrer Beeinflussung
von mir ab. Doch sie liess nicht locker und variierte das
alte Thema von meiner Berufung und heiligen Pflicht in
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