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726 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1906.)
Ueberma8se folgt. Das abwehrende Gefühl der üeber-
fütterung durch stets gleiche geistige Nahrung stellte sich
ein; dazu gesellte sich starke physische und psychische Ermüdung
, lauter Mächte, die von tüchtigem Gegeneinfluss
waren. Somit umschiffte ich glücklich die Klippen, an welchen
vielleicht andere gescheitert wäien. Doch selbst ein
Schiffbruch wäre von mir der ehemaligen Leere, in welcher
der Weltgeist (Gott) - mir nicht so bewusst, wie jetzt -
fehlte, vorgezogen worden*
Um vollständig zu sein, muss ich auch noch hinzufügen
, dass für die Predigten und die Aphorismen das
Unterbewusstsein kaum als Quelle anzunehmen ist, da ich
in Glaubenssachen stets sehr indifferent war und nur als
Schulkind Predigten hörte, denen ich aber wenig Aufmerksamkeit
widmete und die inhaltlich von den mir jetzt gewordenen
gewiss sehr verschieden waren. Ich verbrachte
meine Schulzeit in einer gemischtsprachigen, ganz kleinen
Stadt, wo die Schulkinder der deutschen Schule abwechselnd
mit denen der tschechischen nur in der Woche gewöhnlich
zweimal die Kirche besuchten, während die Predigten, ebenfalls
iv wechselnder Sprache, nur an Sonntagen stattfanden
und den Kindern die Beiwohnung freigestellt war, wogegen uns
fast allen der unbesetzte Sonntagsmorgen lieber war. Aehn-
lich verhielt es sich mit dem Religionsunterricht. Derselbe
wurde uns deutschen Kindern nur dann von dem Herrn
Dechanten erteilt, wenn es seine Zeit zuliess. Ueberdies
wurden zu diesem Zwecke meist zwei Klassen zusammengezogen
, was weniger günstig auf die Erfolge des Unterrichtes
einwirkte, als uns eine gute Unterhaltung gewährte.
Gleichwohl lasse ich es dahin gestellt sein, wie weit mein
eigenes, zur Zeit der Niederschriften gährendes Ich zum
Ausfluss kam, oder durch eine andere Kraft dazu gebracht
wurde. Der Dämonentheorie vermag ich nicht beizupflichten
, für andere Hypothesen fehlen mir unantastbare Beweise
, und obzwar mein Seelenleben jetzt ein verändertes,
mehr Gott zugewandtes ist, als früher, kann ich auch heute
noch nicht aus ihm den Zwang herleiten, dem ich nach wie
vor, wenn auch in gemilderter Weise, unterstehe: als Träger
der Gottes- und Glaubenslehre zu dienen. Die Entwicklung
, Steigerung und Abnahme des beschriebenen Zwanges
Hesse sich ja auf jeweilig eigene Disposition zurückführen,
aber für die Quelle selbst in ihrem Ursprung bin ich
Suchender. —
Das von mir entworfene Bild meiner medialen Schreibweise
ist im Motiv gewiss dasselbe, wie es andere gleich
veranlagte Medien darbieten, nur Farbe und Ausführung
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