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Knorr-Schmidt: Mediales Schreiben und Sprechen. 727
mögen etwas abweichen. Somit sind diese einer Aufstellung
als Type nicht gegnerisch.
Bei den Sprechmedien war mir das Typische noch mehr
in die Augen fallend. Ich hörte nur sehr selten gute
Reden. In der Regel war es solch ein Wirrwar ungeklärter
Gedanken mit biblischen Zitaten gemischt, dass ich leider
feststellen muss, wie die Medienschaft, zum Erwerbszweig
geworden, vielfach ein wahres Abschreckungsmittel und
ein Stein des Anstosses für viele werden kann, welche der
Sache näher zu treten beabsichtigten.
Meine weitere Beobachtung geht dahin, dass in jedem
Menschen ein starker Nachahmungstrieb wohnt, der sehr oft
unbewusst zum Ausbruch kommt. Darauf ist vielleicht so
manche Entwickelung medialer Veranlagung gerade in und
durch Sitzungen zurückzuführen. Aber gewiss nicht in
allen Fällen, und doch sind die Begleiterscheinungen
dieselben! So habe ich Gelegenheit gehabt,
Studien halber auf einem Dorfe eine Sitzung zu versuchen.
Die Teilnehmer hatten nie vorher von dem Gegenstand
meines Unternehmens etwas gehört und meine allgemeine
kurze Zweckserklärung, welche ich vorangehen Hess, enthielt
keinerlei Beschreibung der bei solchen Versuchen bekannten
Erscheinungen. Und doch: kaum sassen wir, als ein
junges Mädchen neben mir von heftigem Armzittern befallen
wurde, das auch noch eine Zeit nach der Sitzung anhielt
. In diesem Falle war also Autosuggestion, welche
gleich der Hypnose so oft zur Erklärung dienen muss, ausgeschlossen
. Auch war ich nicht etwa der „Hypnotiseur
wider Willen", da ich meine Wunschgedanken nach Beeinflussung
auf jemand anderen gerichtet hatte. Wieder muss
man fragen, welche Kraft war auch hier tätig? Diese Kraftquelle
, welche unantastbar als dies oder jenes hinzustellen
noch nicht gelungen ist, findet sich aber keineswegs nur im
Lager der Spiritisten und Okkultisten, sozusagen gross gezogen
von diesen. Der Unterschied besteht nur darin, dass,
was hier beobachtet und studiert wird und als besonderer
Vorgang für sich gilt, anderwärts unbeachtet bleibt, oder als
persönliche Eigenschaft, bezw. Begabung fraglos hingenommen
wird. So lernte ich beispielsweise vor Jahren durch die
Schriftstellerin Gertrud Prellwitz, welche nebstbei, ohne es
zu wissen, medial veranlagt erscheint, einen Herrn Josua
Klein kennen, einen Wanderapostel ganz besonderer Richtung
. Derselbe verfügte über eine staunenerregende Beredsamkeit
, vor der jede andere verstummt, einfach niedergeredet
wird. Das wäre ja schliesslich als eine Kraftmessung
zu betrachten. Aber die glühende Begeisterung, uner-
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