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732 Psyohisohe Studien. XXXIII. Jalirg. 12. lieft. (Dezember 1906.)
lichkeitsweehsels. d. h. der Wiederverkörperung bedarf,
gleichwie die jeweilige irdische Person den Stofiwechsel
nötig hat.
3. Hand in Hand mit der menschlichen Entwicklung
und der für sie erfoi dcrlichen Wiederverkörperung geht das
unter dem Namen Karma bekannte Gesetz der ausgleichen-
den Gerechtigkeit, bezw. die schicksalsgestaltende Kraft,
vermöge welcher jeder sein eigenes Entwicklungsprodukt
ist. Alle Schicksale, die uns treffen, haben wir in diesem
oder in einem früheren Leben selbst verursacht; und alle
unsere Handlungen bedingen unser künftiges Schicksal.
Muss sich also jeder selbst erlösen, da eigentliche Gnade
vernünftigerweise ausgeschlossen ist, so kann nur eine
scheinbare Gnadenwirkung vorkommen, nämlich als „Wahrnehmung
einer langsam, unbewusst gereiften Frucht". Unabhängig
von der Theosophie wurde die so ungemein einleuchtende
Karmalehre u. a. auch von Heilenbach aufgestellt,
wenn er z. ß. sagt, dass die Handlungen der Menschen
jeden Augenblick das ganze Wesen ihres Seins bestimmen,
oder dass der Grad der geistigen und moralischen Entwicklung
über die künftige Daseinsweise entscheide.
Zum besseren Verständnis dieser drei Grunderkenntnisse
, namentlich der Wiederverkörperung, ist eine nähere
Betrachtung der menschlichen Wesenheit erforderlich. Hat
die Theosophie mit der okkultistischen Philosophie die
Auffassung gemein, dass das Wesen des Menschen im
Selbstbewusstsein nicht erschöpft ist, so lehrt sie im Gegensatz
zu der von dieser angenommenen Zweiteilung des
Menschen, eine Drei-, bezw. sogar Siebenteilung. Die
Dreiteilung in Leib, Seele und Geist ist bedingt durch die
Existenz der drei Welten, denen der Mensch gleichzeitig
angehört: der den gewöhnlichen Sinnen einzig zugänglichen
physischen Welt, sodann der seelischen und der geistigen,
welche beide Welten übersinnlicher Natur sind. Der Leib
steht unter dem physischen Gesetz der Vererbung, die
Seele unterliegt dem selbstgeschaffenen Schicksal, dem
Karma; der Geist steht unter dem Gesetz der Wiederverkörperung
. Der vergängliche Leib und der ewige Geist
werden durch die Seele, den Sitz des Wollens, zeitweilig
(während der irdischen Lebensläufe) an einander gebunden.
Verglichen mit einem Baume wurzelt der Mensch in der
physischen Welt und blüht in die geistige hinauf, während
die Seele den Stamm bildet.
Die Siebenteilung, welche hier nur angedeutet zu werden
braucht, unterscheidet zunächst neben dem grobmateriellen,
dem Mineralreich (im weiteren Sinne des Wortes) ange-
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