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Hoffmann: Zur Kritik metapsyehischer Schlussfolgerungen. 743
Infolgedessen können Hypothesen der 2. und 3. Art
für uns keinerlei Gefühlswert haben, auch nicht vorläufig,
weil man sich eben über ihre eventuelle Irrtümlichkeit im
klaren ist; sie haben daher auch keine Bedeutung für das
praktische Leben. Daher sind auch die metaphysischen
Schlüsse zu Gunsten des Atheismus, Materialismus und
Pessimismus keineswegs mit diesen Anschauungen im gewöhnlichen
Sinn, wo sie Dogmen bilden, zu verwechseln.
Zu solchen Anschauungen als Resultaten führt die Wissenschaft
bislang nicht. Da es unwahrscheinlich ist, dass ein
Bestandteil der Welt das es umschliessende All je erkennen
wird, wird dieses wohl nie der FaD sein. Wir werden wohl
für immer auf indirekte Analogieschlüsse angewiesen sein.
Das Ergebnis der wissenschaftlichen Forschung auf metaphysischem
Gebiet und damit auch für unsere Welt- und
Lebensanschaunng ist ein Fragezeichen. —
Leider haben die Vertreter der Wissenschaft nicht
immer die verschiedene Art der Gewinnung der Hypothesen
und den daraus sich ergebenden verschiedenen Wert erkannt
und daher fälschlich geschlossen, die Wissenschaft
ergebe die genannten Schlüsse auf metaphysischem Gebiet
als Resultate.
Da nun die exakte Methode gezeigt hat, dass die Probleme
unseres diesseitigen Lebens im metaphysischen Gebiet
wurzeln, also das Fragezeichen, zu dem die Wissenschaft
führt, doch, um leben zu können, gelöst werden muss,
werden wir logischerweise die übrigen Anschauungsformen
hierfür provisorisch, wie bereits eingangs erwähnt, anwenden
müssen. Doch ergeben sie, da sie vom Charakter des Einzelnen
abhängen, nur individuell gültige Wahrheit *)
das Vorhandensein eines metaphysischen Gebietes in irgendwelcher
Form. Da wir nur mit der Gestalt des Kreises vertraut sind, werden
wir uns kraft Analogie einstweilen das metaphysische Gebiet, um
überhaupt erst einmal in demselben zwecks weiteren Vordringens
festen Fuss zu fassen, ebenfalls als Kreis vorstellen, bleiben jedoch
dabei sehr wohl des CJmstandes eingedenk, dass diese Vorstellung,
die eben den Charakter einer blossen Hilfskonstruktion trägt, mit
der wirklichen Gestaltung des metaphysischen Gebietes nichts zu
tun hat, vielmehr wahrscheinlich eine* Tages in Gemässheit besserer
Erkenntnis zu korrigieren sein wird. Es hängt dies mit dem bereits
geschilderten Wesen der Analogie zusammen.
*) Anm« Aus der Notwendigkeit solcher individuellen Anschauungsformen
, sowie aus dem Umstand, dass sich aus ihrer Eelativität
und Subjektivität eine gegenseitige Eücksichtnahme seitens der Bestandteile
der Welt zu einander ergibt, sowie aus dem Umstand, dass
eine solche Berücksichtigung auch aus praktischen Gründen mangels
Vollkommenheit des einzelnen geboten erscheint, ergibt sich wahrscheinlich
das Bestehen einer relativen Moral; dieselbe wird sich
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