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744 Psychische Studien« XXXIII. Jahrg. 12 Heft. (Dezember 1906.)
Daraus folgt einerseits, dass die Beanspruchung allgemeiner
, statt blos individueller und provisorischer Geltung
solcher Anschauungsformen, wie es z. ß. häufig seitens der
Kirche, politischer Parteien usw. geschieht, sowie die Intoleranz
anmassend und fehlerhaft ist. Daraus folgt aber
auch, dass Wissen höher als Glaube ist, weil es allgemein
gültige und endgültige, wirklich sichere Wahrheit bietet, dass
der Glaube jedoch in seiner verschiedenen Gestalt praktisch
weit richtiger ist, weil eben ein wirkliches auch nur subjektives
Wissen nur in den seltensten Fällen möglich sein wird.
Als Endresultat unseres Vortrages ergibt sich demnach
folgendes:
1) Unter Berücksichtigung der okkulten Phänomene
wird die Wissenschaft möglicherweise Aufschlüsse über das
transszendentale Gebiet geben, jedoch aller Wahrscheinlichkeit
nach nicht über das metaphysische
Gebiet;
2) weiterhin aber führt die Wissenschaft, auch schon
ohne die okkulten Phänomene, zur Glaubensfreiheit
und zur Toleranz.
Theosophie oder Spiritismus?
Von Prof. hon. Willy Reichel.*)
In letzter Zeit hatte ich (in Hermosa Beach, Pacific
Ocean, South California, Juli 1906) öfters Gelegenheit, mit
Mrs. Clara Iza Prize, einem Schreibmedium, zu verkehren,
die auch ein Buch „The Scribe of a Soul64 (Seattle,
Washington 1901, Denny-Ooryell Company) geschrieben
hat. Ihre Kontrolle nennt sich „Selestor* und will ein
wohl als variable Funktion zwischen den beiden Konstanten: 1) dem
vollständigen Egoismus (das All als solches hat keinen Partner,
von einer Rücksichtnahme kann hier nicht gesprochen werden) und
2) dem vollständigen Aufgeben der Individualität (als Gegensatz zum
Egoismus, da die Bestandteile der Welt im All keine selbständige
Individualität besitzen) darstellen; die Funktion wird wahrscheinlich
im konkreten Fall durch jeweilige Umstände bestimmt, z. B. Ort,
Zeit, Milieu, Fähigkeiten, Machtsteilung usw.
*) Nachdem wir nun nach den Vertretern der Theosophie verschiedener
Bichtung mit obigem auch noch einen Verteidiger des
spiritistischen Standpunkts zum Wort kommen Hessen, dürfen wir
wohl die Debatte über die theoretische Seite dieser neu aufgeworfenen
Streitfrage in den „Psych. Stud.tt nunmehr als gescülossen
betrachten. Im nächsten Heft wird Herr Dr med. Freud}enber//-
Dresden sich noch speziell mit Mme. Blavatsky vom Standpunkte
des Frauenarztes befassen. — Red.
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