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22 Psychische Studien. XXXV. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1908.
Unbedingt hat der vorstehende Artikel recht, wenn
er den heute noch herrschenden Volksglauben an ein Hinscheiden
mit der vom Mond herbeigeführten Ebbe auf die
religiösen Anschauungen der Vorzeit zurückführt. Indess
scheint es mir im Interesse der Leser zu liegen, etwas genauer
auf diese Verhältnisse einzugehen, als es der obige
Artikel, der nur Andeutungen bringt, bezüglich dieser kulturgeschichtlich
interessanten Frage tut.
Die Kelten der vorrömischen ZeJt waren ein Volk
von hoher Kultur, ein Teil der grossen nordischen Kasse,
welche man als die Arier oder Keltogermanen bezeichnet.
Ganz allgemein nimmt die okkultistische Tradition an, dass
nach Süden auswandernde Kelten unter Führung des
Druiden Rain, die Begründer mächtiger arischer Reiche
des sog. indogermanischen Stammes in Indien und Persien
wurden.
Auch die moderne Wissenschaft neigt sich mehr
und mehr zu der Annahme, dass nicht der Himalaya die
Urwiege der arischen Völker gewesen ist> sondern vielmehr
Nordeuropa. Nicht von Süden nach Norden ging der Weg
arischer Kultur, sondern von Norden nach Süden, Die
wunderbaren Monumentalbauten, die Menhirs, Dolmens und
Cromlechs, welche wir in England und Gallien, in Skandinavien
, Nordwestdeutschland, aber auch in Spanien, Oor-
sika, Sardinien, Aegypten, Südrussland, Palästina und Indien
finden, weisen uns in ihrem charakteristischen Aufbau den
Weg, den ihre Erbauer genommen haben. Man muss bedenken
, dass das Mittelmeer in der vorgeschichtlichen Zeit
eine ganz andere, weniger umfangreiche Gestalt hatte, als
in der Gegenwart, und dass eine feste Landbrücke zwischen
Europa und Kleinasien bestand. Da aber, wo die keltischen
Steinbauten dichtgedrängt in reichster Fülle standen
und zum Teil noch stehen, in Südengland, in der Bretagne,
auf den Kanalinseln muss die Heimat dieser eigenartigen
Kultur gewesen sein. Gallier nannten sich die alten Kelten,
und ihre Spuren in Kleinasien zeigt uns die Apostelgeschichte
in den Paulinischen Briefen an die Galater.
Selbst die botanische Wissenschaft bricht eine Lanze für
die Annahme einer Wanderung der arischen Stämme von
Norden nach Süden, indem sie uns den Nachweis erbringt,
dass in Asien wachsendes Getreide unbedingt aus Nordeuropa
dortselbst eingeführt worden ist. Jedem, der tiefer
in die kulturellen, religiösen und namentlich okkultistischen
Verhältnisse der alten orientalischen Völker eindringt, in
die Mysterien Aegyptens und Griechenlands, in die indischen
Geheimlehren, in die erhabenen Anschauungen des Parsismus
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