Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
35. Jahrgang.1908
Seite: 29
(PDF, 215 MB)
Bibliographische Information
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Kaindl: Persönlichkeit und Wandlangen der Persönlichkeit. 29

aber tiefe Amnesie*) ändert ihre Persönlichkeit ganz und
gar, und, wahrhaftig, diese Person, welche nicht französisch
kann, sondern nur italienisch spricht, wird von der
Person, die sie früher war, gänzlich verschieden erscheinen.

Man nehme ferner an, dass zu dieser ersten Amnesie
andere Gedächtnisverluste hinzugefügt werden, dass man
sie veranlasst alles zu vergessen, was sie je in Prankreich
erlebt hat, so dass sie sich auf Nichts besinnt, was sie in
Prankreich getan, gedacht oder geschrieben hat; diese neue
Person wird dann von der andern durchaus verschieden
sein, denn falls man ihr sagt: „Sie sind in Paris, infiouen
oder in Marseille gewesen", wird sie mit vollkommener Aufrichtigkeit
erwidern: „Nein ich bin niemals dort gewesen;
ich kann mich daran nicht erinnern." Ihre erste Persönlichkeit
wird daher gewissermassen verdoppelt sein, weil
darin eine vollständige Amnesie in Bezug auf eine grosse
Anzahl von Erscheinungen vorhanden ist. Die Kette, die
in normalen Individuen ohne Bruch besteht, wird in ihrem
Palle eine Kette sein, in welcher gewisse Glieder gebrochen
sind. Die Persönlichkeit wird durch die Amnesie in ihre
Bestandteile zerlegt. —

Gedächtnis ist daher ein wesentlicher Grundbestandteil
der Persönlichkeit; Gedächtnis ist ei forderlich, damit die
Persönlichkeit vollständig sein kann. Gedächtnis ist jedoch
nicht ausreichend, wir haben auch Empfindungen in
Betracht zu ziehen. Die Empfindungen sind verschiedener
Art; wir haben innere und äussere Empfindungen. Es
gibt tatsächlich Empfindungen, die von unseren inneren
Organen ausgehen, und welche uns veranlassen, den Zustand
unseres leiblichen Organismus in einer unklaren, aber
objektiven Weise wahrzunehmen. Dieses ist es, was die
Physiologen, die für griechische Namen sehr eingenommen
sind, „Cönaesthesiaa**) genannt haben, d. h. die Gesamt-
empfindung, welche wir von unserem Körper besitzen: vom
Magen, von der Leber, von den Eingeweiden, von den
Nieren und wahrscheinlich auch von dem Gehirn. Von
jedem dieser Organe entspringen Empfindungen, welche uns
die Vorstellung ihres Daseins geben. Wir sind wir selbst,
weil wir diese besonderen Empfindungen haben, die wir
wohl nicht deutlich wahrnehmen, welche aber sicherlich auf

*) Amnesie ist 1) die Unfähigkeit äussere Eindrücke oder
innere seelische Vorgänge in das Gedächtnis aufzunehmen (das
NichtZustandekommen primärer Gedächtnisbilder), und 2) die Unfähigkeit
in das Gedächtnis aufgenommene Eindrücke in das.Be-
wusstsein zurückzurufen (Erinnerungsschwäche). D. U.

**) Griech. „Koinaisthesis* = gemeinsame Wahrnehmung. — Eed.


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