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Müller-Bertelmann: Betrachtung über Spiritismus etc. 45
Gelehrter und Forscher aus. Wir tun das ebenfalls. Sie
pflegten jeden Einwand zu prüfen. Wir möchten das auch.
Aber Spott und Witz, wo wir über ein gewisses Tatsachenmaterial
verfügen, leisten uns keine Dienste. Sie stehen
der Sache ungläubig genug gegenüber, um kritisch zu
prüfen, was wir vielleicht allzugerne annehmen. Sie kennen
aber die Tatsachen nicht, auf die wir uns stützen. Also
wollen Sie einfach diese Tatsachen nicht kennen lernen, um
ihr aprioristisches Urteil aufrecht zu erhalten. Gut! Das
ist aber der Standpunkt, den etwa eine zum Widerspruch
geneigte Frau einnimmt „Des Nachbars Katze ist schwarz lu
behauptet sie. „Gesprenkelt!" erklärt ihr Gatte. Sie geraten
darüber in Disput, Da geht das Objekt gerade über
die Strasse und der Mann will seine Frau durch Antopsie
überzeugen und ruft sie ans Fenster. „Ach, lass mich doch
in Ruhe," versetzt si« gereizt. „Ich will mich nicht überzeugen
; sie ist schwarz. Punktum!*' „Streusand darüber!"
bemerkt der gute Mann und gibt den Disput auf; denn
nicht wahr — es hat wirklich keinen Zweck darüber zu
disputieren, ob die Katze schwarz oder gesprenkelt ist, wo
die Frau einfach nichts vom Tatsachenmaterial wissen mag,
weil es sie sonst „beim Frack" hätte.
Nun könnte immerhin der seltame Fall vorhanden sein,
dass die Katze trotzdem schwarz wäre und der Mann nur
gesprenkelt sähe. Angenommen, dem wäre so! Dann käme
man aber gerade durch gemeinsame Beobachtung und Beurteilung
des Streitobjektes der Sache viel eher auf die
Spur. Oder die Frau könnte kurzsichtig sein und die undeutlich
gesprenkelte Katze für schwarz halten. Dann genügte
eine einfache Untersuchung, um die Tatsache unwiderleglich
festzustellen. Keinesfalls aber müsste dann
der Mann, der das Objekt kennt oder zu kennen glaubt,
seine Frau, die es nicht kennt, für ein eigensinniges, widersprechendes
Wesen halten."
Somit hätten wir es hier mit dem spontanen Ausdruck
professoralen Eigensinnes zu tun, der sich in der offiziellen
Wissenschaft manchmal recht breit macht; allerdings in
ausserordentlich seltsamer Form, indem der Redner die
leise Furcht zu hegen scheint, es könnte ihn „am Frack
erwischen".
Oder wollte er damit sagen, dass der Glaube an übersinnliche
Dinge schliesslich latent in jeder Menschenbrust
schlummere, und dass somit dieser schlummernde Glaube
den Menschen zur Selbsttäuschung prädestiniere? Und
offenbar hält er all' das für Selbsttäuschung und Autosuggestion
, wie wir heute etwa sagen würden.
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