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Ohlsen: Zwei Fälle von Telepathie bei Kindern u. a. 51
Die dritte der mitgeteilten Antworten ist von Prof.
Theodore Flournoy in Genf:
„1) Ich habe viele für mediumistisch ausgegebene
Phänomene beobachtet, welche meiner Ansicht nach nichts
anderes waren, als Halluzinationen oder Betrügereien, zuweilen
unbewusste. Aber ich habe bei der Eusapia Paladino mediu-
mistischen Sitzungen beigewohnt, welche ich bis auf Gegenbeweis
für real, objektiv, vom Organismus des Mediums
und der Experimentatoren abhängend halte. Was Phänomene
anbetrifft, welche das Einschreiten unbekannter
fremder Kräfte in sich schlössen, so habe ich derartige
noch nicht beobachtet.
2) Es ist schwer, auf diese Frage eine präzise Antwort
zu geben, weil der Ausdruck „spiritistische Hypothese" in
sehr verschiedenem Sinne genommen werden kann. In allgemeiner
Linie und in ihrem geläufigen Sinne genommen
sehe ich nicht ein, warum dieser Hypothese das Feld der
Wissenschaft verschlossen sein sollte. Angesichts der beobachteten
Tatsachen ist es durchaus berechtigt, ja un-
erlässlich, sie in Betracht zu ziehen und sie als Arbeitshypothese
zu besprechen, sie den anderen möglichen Hypothesen
(unterbewusste Personifikation, Telepathie Lebender
usw.) gegenüberstellend. — Ich glaube keineswegs, dass die
spiritistische Hypothese ihre Probe bestanden habe, um, wie
die voreiligen Spiritisten * es wollen, als Siegerin ausgerufen
zu werden; aber ich glaube ebensowenig, dass man das
Recht habe, sie a priori auszuscheiden, unter dem trügerischen
Vorwande, dass sie unwissenschaftlich sei, wie viele
Gelehrte sie bezeichnen wollen, die in ihrem Fache bedeutend
sind, sich aber nie speziell mit den sogenannten
mediumistischen Phänomenen befasst haben." —
Neben den Gelehrten, deren Staudpunkt zur Sache so
ziemlich bekannt ist, nennt die von „Luce e Ombraa beispielsweise
zusammengestellte lange Liste viele Namen von
den verschiedenen Gebieten des Wissens, der Literatur und
Kunst, die hier vielleicht zum ersten Male ihre Meinung in
dieser Angelegenheit öffentlich so entschieden aussprechen;
man findet: Filippo Bottazzi^ Salvatore Farina, Roberto Bracco,
E. de Amicis, Sofia Bisi* Albini usw. Hierin liegt wohl auch
der Zweck der Rundfrage und das, was die Veröffentlichung
von Luraghi besonders interessant macht.*)
Was den zweiten Punkt der Anfrage betrifft, so
werden sicher wenige, wenn überhaupt jemand, verneinend
darauf geantwortet haben. Eine tatsächliche, vielleicht die
*) Verlegt bei „Casa Editrice Pensiero latino*, Milano.
4*
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