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Klinckowstrcem: Beitrag zur Geschichte der Wünschelrute. 81
In /. Chr. Reit's „Archiv für Physiologie4*, Jahrgang
1809, schliesslich verwertet Fr. Nasse die Forschungsergebnisse
Ritter'% in seinem Aufsatze: „Untersuchungen über
das Verhältnis des thierischen Magnetismus zur Elektrizität
," S. 275 ff., ohne sie erst einer Prüfung zu unterziehen.
Einen wichtigen Punkt darf ich nicht übergehen, ehe
ich zu einer kurzen Kritik der Pendelexperimente schreite.
Nach Angabe der ÄAllgem, Deutschen Biographie,1* Leipzig
1889, 28. Band, S. 675 ff., die im grossen und ganzen den
Verdiensten Ritter's Gerechtigkeit wiederfahren lässt, soll
dieser kurz vor seinem Tode6) seine sämtlichen Arbeiten
und Ansichten über die Wünschelrute etc. vor seinen
Freunden widerrufen und für Aberglauben erklärt haben.
Es wird verwiesen auf Band 73 der in Paris erscheinenden
„Annales de chimie", 1810, S. 336. Doch kann ich in der
dort befindlichen JNotiz nicht viel Beweisendes erblicken, da
sie selbst erst aus zweiter Hand stammt und die Quelle,
aus der sie geschöpft ist, nicht angegeben ist. Die authentische
Quelle dieses Gerüchtes ausfindig zu machen, ist mir
leider nicht gelungen. Jedenfalls hätte wohl der schärfste
Gegner Ritter's, L. W% Gilbert, nicht unterlassen, eine solche
Nachricht in seinen „Annalen der Physik" wiederzugeben,
wenn sie wahr wäre.7) —
Eine Kritik der Jjtitlet*'sehen Pendelversuche fällt
tf) Ritter ist geboren den 16. Dez. 1776 und starb den 23. Jan.
1810. An dieser Stelle mögen die warmen Worte ihren Platz finden,
die Gehlen im 9. Bande seines Journals (1810, 4. Heft, S. 775) in
einem Nachrufe dem Verstorbenen widmet: 9Joh. W. Ritter hat
Grosses begonnen in grossem Geiste und mit tiefem Gemüt, von
wenigen gefasst und daher von vielen als Schwärmerei und Mysti-
zism verurteilt. Aber es wird die Zeit kommen, da man von ihm
bekennen wird, was Lichtenberg von manchem als Schwärmer verrufenen
früherer Jahrhunderte aussprach; seine Blicke in die
Wissenschaft und sein Leben in derselben werden noch in späten
Zeiten Geister erhalten und beleben, und mit Dank und Bewunderung
die Betrachtung zu ihm wenden, wenn der Name derer, die
nur, indem sie auf seine Schultern treten und in seiner Verkleinerung
gross zu werden suchen, längst verschollen sein wird/ Gehlen
weiss also nichts von Ritters „Widerruf*.
7) Die in den „Annalen der Physik* abgedruckten „kritischen
Aufsätze* sind auch in Buchform erschienen unter dem gleichen
Titel, Halle 1808. — Nachträglich finde ich eine Notiz, die über
Ritter'» letzte Ansichten ein ganz anderes Bild gibt: „ Ritter, un jour
avant sa mort, disait au docteur Spix, son m&lecin, que les
recherches sur F£lectrom6trie organique m&neraient indubitablement
a des r^sultats importants pour les sciences.* Aus einem Briefe
des Prof. Gehlen zu München im „Publiciste", 24. Mai 1810. (Diese
Zeitschrift selbst konnte ich nicht einsehen. Vielleicht stammt das
ganze Gerücht von jft.'s Widerruf aus einer missverstandenen Stelle
dieses Briefes.)
Psychische Studien. Februar 1908. ß
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