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Kaindl: Persönlichkeit und Wandinngen der Persönlichkeit. 1Q3
mir wichtiger, dasselbe Phänomen zu betrachten, wenn es
experimentell durch Hypnose hervorgerufen wird.
Ich hoffe, dass Sie auf diese Weise begreifen werden, durch
welche unmerklichen Uebergänge wir yon der Elementarerscheinung
, welche die Veränderung der Persönlichkeit
in normalen Individuen ist, zu der systematischen Persönlichkeitsverdoppelung
, welche in gewissen pathologischen
Spezialfällen auftritt, fortschreiten.
Einstmals glaubte ich eine kleine interessante Entdeckung
gemacht zu haben, indem ich zeigte, dass wir
durch den Einfluss von Hypnose bedeutende Veränderungen
der Persönlichkeit hervorrufen könnten, fand jedoch später,
dass diese Entdeckung nicht mein eigen war. Tatsächlich
stellten schon die alten Magnetiseure des neunzehnten
Jahrhunderts über diesen Gegenstand Versuche an* Wenn
Sie jedoch gestatten, will ich mich auf meine Versuche
berufen, indem ich Sie gleichzeitig erinnere, dass es zuerst
Mesmer, dann Puysegur. dann Delenze, dann Braid, dann
Durand de Gros war, welchen diese Experimente wirklich
gebühren. Ich habe sie bloss zu speziellen Zwecken entwickelt
, sodass, wenn ich meine eigenen Versuche anführe,
es deshalb geschieht, weil sie mir am besten bekannt sind,
und ganz und gar nicht aus dem Grunde, weil ich viel
ältere und sehr ähnliche Experimente geringschätze oder
vernachlässige, die viele Jahre früher angestellt wurden
und nahezu dieselben Resultate ergaben.
Wenn wir diese hypnotischen Erscheinungen analysieren,
sehen wir ein, dass sie hauptsächlich durch Amnesie
charakterisiert werden. Ich habe gesagt, dass das hervorragendste
Merkmal der Persönlichkeit das Gedächtnis ist;
es ist daher nicht überraschend, dass wir, indem Hypnotis-
mus hauptsächlich von Amnesie abhängt, in diesem Zustande
leicht Veränderungen der Persönlichkeit beobachten
können.
Aber Hypnotismus wird nicht allein durch Amnesie
gekennzeichnet. Es ist noch ein anderer Bestandteil vorhanden
, welcher nicht aussergewöhnlich ist. weil wir ihm
auch in Träumen begegnen, die mit dem Hypnotismus
grosse Aehnlichkeit haben; es ist das, was man den
Leichtgläubigkeitszustand nennen könnte. Es
ist für Träume charakterisierend, dass die unwahrscheinlichsten
Dinge von uns ohne Widerstreben geglaubt
werden. Wir sind so leichtgläubig geworden, dass alle die
Bilder, welche sich unserer Seele darbieten, wie ungereimt
sie auch immer sein mögen, ohne Anstand als wirklich
hingenommen werden. Es mag uns scheinen, dass wir
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