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Zur Psychologie der Träume
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I1L Abteilung.
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
Zur Psychologie der Träume.*)
Wie in den neuesten Forschungen der Chemiker von
den Bestrebungen und Problemen der Alchimisten wieder
mit mehr Anerkennung gesprochen wird als in der vorangegangenen
Periode, so haben auch moderne Psychologen
in ihrer Arbeit manche Berührungspunkte mit den alten
Traumdeutern gefunden, wenn auch ohne die abergläubische
Ausbeutung ihrer Erkenntnisse, wie sie in den alten
Traumbüchern zu finden ist. Sagte doch schon Artabanos
dem Äerxes, in dessen Träumen sich der geplante Zug gegen
Griechenland immer wieder spiegelte, dass die Träume
hauptsächlich das reflektieren, was im Wachen des Menschen
Geist erfüllt. Professor Peterson vergleicht in einem interessanten
Aufsatz über moderne Traumforschung, den er in
„Harpers Magazine" veröffentlichte, das volle Bewusstsein des
Waebens mit dem hellen Licht des Tages, das nächtlich
sich ausbreitende Unterbewusstsein, das geheimnisvolle Reich
der Träume aber mit dem bleichen, geisterhaft huschenden
Schein des Mondes. Es ist im Grunde die gleiche Landschaft
, über die vordem die Sonne leuchtete; nun aber, im
Halbdunkel, nehmen alle Formen, alle Dinge, alle Geschehnisse
seltsame fremde Dimensionen an; ihre Verhältnisse
verschieben sich und, was da dem Auge ersteht, scheint
eine neue, nie betretene Welt. Das bunte Gewebe der
Traumbilder ist aus den gleichen Fäden gesponnen wie die
Eindrücke des Tages. Der Scheinwerfer des vollen Bewusst-
seins ist beim Wachen in seinen Bewegungen mehr oder
weniger stark vom Willen reguliert; im Schlafe aber, wenn
das Unterbewusstsein sich hervorwagt und tummelt, leuchtet
der Scheinwerfer fort; willkürlich, bald hierhin, bald dorthin
sendet er seine Strahlen, und kein Wille regelt seine
Bewegungen, ordnet sein Wirken. In der einen Sekunde
wird die jüngste, neueste Erinnerung beleuchtet, in der
nächsten vielleicht ein fernes, dem Bewusstsein längst entglittenes
Bild aus später Vergangenheit belichtet. Längst
*) Wir entlehnen diese psychologisch wertvolle Studie dem
Feuilleton des „Dresdner Anzeigers" vom 12. X. 07. — Red.
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