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Iiiig: Ein wahr gewordener Traum. 205
ich zu ihm sagte: „Nehmen nur Sie sich in acht, der Nächste
sind Sie, Sie sind schon gewarnt." Auf die Frage: „Wieso
?" erzählte ich ihm den Traum und fügte scherzend hinzu
, dass er sich darob nicht zu ängstigen brauche, da ich
noch nie ein Wahrträumer gewesen sei. — Inzwischen waren
kaum 4 Wochen vergangen, als in der Frühe des 8. Febr.
jemand zu mir kam und mich fragte, ob ich auch wisse,
dass sich Köster im Krankenhaus einer Operation unterziehe
? Ich antwortete: „Das kann ja gar nicht sein, denn
er war ja noch vor 2 Tagen völlig munter in der Sitzung
des Gemeinderats zugegendoch regte mich meines Traumes
wegen die Nachricht sehr auf und ich erkundigte mich alsbald
telephonisch nach der Sache, die mir bestätigt wurde,
mit dem Bemerken, dass es sich lediglich um ein harmloses
Bruchleiden handle. Die Operation wurde am Samstag
den 8. Febr. vollzogen; sie verlief vollkommen normal
und als ich mich an den folgenden Tagen wiederholt nach
Kösters Befinden erkundigte, erhielt ich auch die allerbeste
Auskunft.
Da stürzte in der Frühe des 12. Februar plötzlich
jemand meines Personals in mein Zimmer und rief: „Haben
Sie es schon gehört? — Köster soll im Sterben liegen." In
grosser Erregung stürzte ich an's Telephon und erhielt vom
Krankenhaus die Nachricht, dass er schon tot sei! Nachts
2 Uhr sei er plötzlich an einer totalen Embolie*) der Lungen
verschieden, nachdem er kurz zuvor der nach ihm schauenden
Krankenschwester noch bemerkt hatte, dass er sich
recht wohl fühle und eine sehr gute Nacht habe. Mein
Traum war in Erfüllung gegangen! Ich werde nicht erst
zu versichern brauchen, dass mich die Erfüllung dieses
Traumes tief erschüttert hat. Der Freund, den ich schon
erwähnte — ein Arzt und trefflicher Psychologe, aber auch
das Muster eines Skeptikers — erklärte mir, dass er mir
den Traum nicht geglaubt hätte, wenn ich ihn nicht schon
vor**) Eintritt des Ereignisses und zwar wiederholt erzählt
hätte, weil man oft Täuschungen unterliege und nach Eintritt
eines Ereignisses glaube, man habe schon einmal davon
geträumt. Er war so überrascht wie ich, weil wir zuvor
oftmals über den Traum gesprochen hatten, auch an
dem Tag, an dem sich Köster zur Operation m's Kranken-
*) Verstopfung der Adern durch im Blute schwimmende feste
Teilchen, wie Blutgerinnsel. — Red.
**) Wir sind dem Herrn Verf. zu grösstem Danke verpflichtet,
dass er mit den obigen genauen Feststellungen uns in den Stand
setzt, dieser ersten Forderung exakter Wissenschaft endlich einmal
zu entsprechen. — Red.
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