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218 Psychische Studien. XXXV. Jahrg. 4. Heft. (April 1908.)
Leben sprechen wollen? Und warum hat man mit Ausnahme
der medizinischen Fragen nur unzusammenhängende
und irreführende Antworten erhalten?*)
Myers zieht den Schluss: Wenn bezüglich dieser Heilungen
schon die Tätigkeit des Dr. Z. mehr als problematisch
ist, um wieviel mehr ist dies bei den Heilungen in Lourcles
mit der Intervention der Jungfrau Maria der Fall! üebri-
gens enthält die Mitteilung der Maria an Bernadette weder
das Versprechen einer Heilung, noch eine Wahrsagung:
„Ich verspreche dir, dich glücklich zu machen, nicht in
dieser Welt, aber in der anderen." Das hat doch nichts
mit Heilungs-Versprechen zu tun! Das interessanteste Phänomen
in dem Falle Bernadette ist ihre Unverbrennbarkeit.
Dasselbe wird uns von einem Augenzeugen, dem Dr. Dozous,
einem Manne, der in Religionssachen ungläubig ist, berichtet
. Es war am 7. April 1858 nach der siebzehnten
Erscheinung, als Bernadette in der Grotte in Ekstase auf
den Knieen lag und ihre Gebete sprach. Sie hielt in der
linken Hand den Bosenkranz und in der rechten eine
brennende Wachskerze. Plötzlich hält. sie die Flamme
unter die linke Hand. Dies währt eine Viertelstunde: der
Zeuge hat die Uhr gezogen und beobachtet den Vorgang
schal f. Bernadette beendigt ihre Andacht; die Transfigur a-
tion in ihrem Gesichte war geschwunden. Als sie sich anschickt
, die Grotte zu verlassen, hält sie der Zeuge zurück
und untersucht ihre linke Hand genau. Er findet nicht die
Spur einer Verbrennung. Nun lässt er das Mädchen wieder
die Kerze anzünden und hält dieselbe in die Nähe ihrer
linken Hand. Bernadette ruft sofort; „Sie brennen mich!"
Der Vorgang ist noch von vielen Personen bestätigt. —
Dr. M. Bertrin, Professor am kathol. Institut in Paris,
hat ein ausgezeichnetes Werk über Lourdes geschrieben,
das jeden Unbefangenen von der Echtheit der Tatsachen
überzeugen wird. Eine solche Menge von Zeugnissen zurückzuweisen
, ist so wenig Grund vorhanden, als dies bei der
Sammlung der S. F. P. K. in den „Proceedings" oder in
den „Annales des Sciences Psychiques" opportun ist Man
kann Mr. Bertrin nur den einen Yorwuf machen, dass er
jene Sammlungeil zu ignorieren scheint, wie überhaupt alles,
was die Metapsychik uns lehrt. Freilich kann es nicht
anders sein! Es ist einfach unmöglich, dass ein überzeugter
Katholik die Wunder, welche er Gott selbst zuschreibt, auf dieselbe
Linie setzt, wie die Vorkommnisse, die wir für Wirkung
*) Diese Gründe sind meines Erachtens nicht zwingend zur
Ablehnung der spiritistischen Hypothese. P.
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