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244 Psychische Studien. XXXV. Jahrg. 4. Heft. (April 1908.)
angeführt: Der grösste Teil des gebildeten Volkes entbehrt eines
der wichtigsten Öüter: der logischen Grundlage für das moralische
Handeln. Der herrschenden Moral ein Fundament zu bauen ist der
Naturwissenschaft nicht gelungen. Einer neuen Moral Stützpunkte
zu bieten, wurde nicht einmal versucht.*) Der erste Fehler der modernen
Naturwissenschaft besteht darin, dass sie sich ganz in metaphysische
Labyrinthe eingesponnen hat. Der zweite Fehler ist, dass
sie sich ihres metaphysischen Treibens gar nicht bewusst ist. Unter
dem Deckmantel der objektiven Forschung an allen sittlichen Problemen
zu gunsten der ungefährlichen Spekulation vorbeigehen —
das ist Transszendenz in der schlimmsten Entartung! Den logischen
Lapsus, mit den empirischen Sinnen die transszendente Welt zu
durchqueren, sollte man getrost für die Materialisten reservieren.
Zwischen der Transszendenz und der Empirie kann es bei geordnetem
Denken niemals zu einem Konflikte kommen, weil die Eeli-
gion (dem Gläubigen) ewige Wahrheiten offenbart, während die
„Wissensehaft* weder eine Ewigkeit, noch eine definitive Wahrheit
erhascht. Wimhold.
Zanoni. Ein Eoman von Eduard Lytton~Buhver. Aus dem Englischen
übersetzt und neu bearbeitet. Halle a. S. Verlag von Otto Hendel.
418 S. 8°. Geh. Mk. 1.25, geb. Mk. 1.60.
Bulwer^s Eomane finden heute noch bei alt und jung dankbare
Leser. Zanoni, „Der Bosenkreuzerroman,* wie er gewöhnlich genannt
wird, entnimmt den Stoff aus „den geheimen und kostbaren
Archiven* der „ehrwürdigen Brüderschaft* der Bosenkreuzer. Bedeutsam
ist Bulwer's Wort: „Der Mensch kann den Gesetzen der
Natur nicht widerstehen. Aber sind alle Gesetze der Natur schon
entdeckt ? * Wienhold.
Die Brüderschaft der Religionen von Annie Besant, Präsidentin der
Theosophischen Gesellschaft. Autorisierte Uebersetzung von Helene
Lobke* Leipzig, Th. Griebens9 Verlag (L. Fernau). 41 8. Klein 8°.
Preis 60 Pfg.
Es gibt, so heisst es hier, nur eine Art der Gotteslästerung —
denn Gott in der Menschenbrust zu leugnen, nur eine Häresie, die
der Sonderung, wenn man sagt: „Ich bin von dir verschieden. Wir
sind nicht eins.* Darum haben alle Religionen eine gemeinsame
Grundlage. Der Beweis für die Richtigkeit der Behauptung lässt
sich durch das Studium der Symbole, Lehrsätze, Erzählungen und
Moralgesetze erbringen. —Wir fragen: Genügt das ? Und haben die
verschiedenen Religionen nach diesen Beziehungen hin nicht auch
viel, was trennt? Wienhold.
Energetische Weltanschauung. Eine kritische Studie von Wilhelm von
Scänehen. Leipzig, Theod. Thomas. 1908. 145 S.
Das vorliegende Werk unseres verehrten Mitarbeiters, der sich
durch seine früheren Schriften: „Der moderne Jesuskultus* (2. Aufl.
1906) und „ Friedrieh Naumann vor dem Bankerott des Christentums*,
•) Wir erlauben uns doch bei diesem Anlass auf den bescheidenen
diesbezüglichen Versuch des jetzigen Schriftleiters der „Psych. Stud.*' hinzuweisen
, der diesem i. J. 1877 sogar einen Gotteslästerungsprozess vor dem
Schwurgericht Esslingen zugezogen hat: „Versuch einer monistischen Begründung
der Sittlichkeitsidee" von Prof. Dr. Friedrich Maier (damals am
k. Realgymnasium in Stuttgart), 22 S., Verlag von Konrad Wittrver% Stuttgart
. — Vgl. auch Ludwig P/au, Politisches und Polemisches (Verlagshaus
Stuttgart: Dr. Foerster u. Cie., 1895, S. 331 ff.- „Der Fall Maier.1*
— Red.
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