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280 Psychische Studien. XXXV. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1908.)
erlangt hat) Gisberius Voetius*) welcher in einer Auswahl
theologischer Abhandlungen — ein heute zweifellos seltener
Band! — auch diesen Bericht über die angeblich von einem
Geiste verrichteten Wunder gebracht hat. Wir werden
eine vollständige und wörtliche Uebersetzung des lateinischen
Originaltextes liefern, indem wir die Erörterungen der berichteten
Tatsachen auf eine andere Gelegenheit aufsparen.
Der Titel des zu Pressburg 1643 gedruckten, uns vorliegenden
Exemplars lautet: „Die Erzählung einer
wunderbaren Tatsache, welche zwischen dem
24. Juli 1641 und dem 29. Juni 1642 zu Pressburg durch
einen Geist vollbracht wurde, der vom Fegefeuer kam, um
mit einer Jungfrau zu sprechen, der Reden führte, um
Hilfe flehte und schliesslich errettet wurde. In Ueberein-
stimmung mit den beeideten Zeugen und amtlichen Akten,
welche in den Archiven des Hochwürdigen Kapitels von
Pressburg verwahrt sind. Veröffentlicht mit Genehmigung
und auf Verfügung Seiner Herrlichkeit Georg Lippai, ernannter
Erzbischof von Strigonum (Gran)." — Ein kurzer
und getreuer Bericht dieser ganzen Geschichte:
Erstes Kapitel.
Der Ort, wo die Erscheinung hauptsächlich gesehen
wurde. Wessen Geist war es? Wem erschien er? —
Dieses ist die Grundlage der Erzählung, und es ist das,
was der Leser zuerst fragen wird: Wo? Wer? Wem?
Pressburg ist eine berühmte Stadt in Ungarn, an der
Donau, von Wien durch zehn Meilensteine geschieden. In
dieser Stadt lebte ein gewisser Johann Clement, welchem der
*) „Selectarum Disputationum Theologicarum pars secunda/
Trajecti ad Rhenum (Utrecht). Ex officina Johannis a Waesberge,
MDCXLIV. — Gübert Voet (spr. Fuht), gehören 1588 in Heus-
den, studierte seit 1604 in Leyden Theologie, wurde 1611
Prediger zu Vlymen und 1617 zu Heusden, war 1618 Abgeordneter
auf der entscheidenden Synode zu Dortrecht, wo er für die (die
schroffe Prädestinationslehre Calvin^ verteidigenden) ,,Contra-Demonstrantentt
gegen die Anhänger des vielfach verfolgten, 1609 verstorbenen
Leydener Theologieprofessors Arminius auftrat; er wurde
1634 Professor der Theologie zu Utrecht und starb daselbst 1676.
Er genoss als Haupt der Scholastiker in der reformierten Kirche
grosses Ansehen, obschon — wie auch seine zahlreichen lateinischen
•Schriften beweisen — sein zelotischer Eifer grösser war als seine
Gelehrsamkeit, und er seine Gegner, besonders Cariesius, mehr mit
theologischen als mit philosophischen Waffen bekämpfte. Da er
ganz in den theologischen Anschauungen und Vorurteilen seiner
Zeit und seiner Kirche befangen war, kann er nicht ohne Weiteres
als glaubwürdiger Zeuge gelten, wenn auch die Einzelheiten des
nachfolgenden Berichts entschieden auf wirkliche Vorkommnisse
mediumistischer bezw. supernormaler Art hinweisen. — 11 e d.
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