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Kaindl: Metapsychische Phänomene ans alter Zeit. 281
Spitzname „Zwespenpauer" beigelegt wurde. Er war ein
angesehener Bürger, berufen, die Personen abzuurteilen,
die zur Festung gehörten, welche sich ausserhalb der Stadt
befindet, und tatsächlich wohnte er selbst in einer Vorstadt.
Im Alter von ca. 40 Jahren wurde er von der Ketzerei Luther'*
angesteckt und führte ein wenig empfehlenswertes Leben.
Sieben Jahre vor seinem Tode jedoch, welcher ein christlicher
und mit seinem katholischen Glauben übereinstimmender
war, änderte er seine Lebensweise, so dass man ihn oft in der
Kirche sah, wo er weinte und ächzte, während er das
Leben eines würdigen Christen führte, als er mehr als
60 Jahre zählte. Das ist in dieser Geschichte die in Rede
stehende Persönlicheit. Er erschien nämlich nachher, so wie
er zu sein und zu sprechen pflegte, und er zeigte sich in
derselben Gestalt und sprach in derselben Ausdrucksweise
und mit der Stimme wie während seines Lebens, sodass
es erwiesen ist, dass es tatsächlich er selbst war; und ist
dies ausser allen Zweifel gestellt worden durch den Abdruck
seiner Hand, welchen er auf einem Tuche zurückliess,
wie wir späterhin berichten werden. Obgleich er mehr als
hundertmal erschien, und verschiedene Personen ihn sahen
und hörten, war es dessenungeachtet hauptsächlich eine gewisse
Regina Fischer in, welcher er sich zeigte, und zwar mit
dem Beistande und Willen des Herrn, dessen Absichten
imerforschlich sind. Dieses junge Mädchen war von achtbaren
Eltern geboren, welche nach Hallstadt, zehn Meilen
von Gmunden,*) einer Stadt in Oberösterreich, zuständig
waren.
Ihr Vater Sebastian und ihre Mutter Magdalena befanden
sich in ziemlich behaglichen Verhältnissen. Das
war in der Zeit des frommen Kaisers Ferdinand IL, der so
manche widerspenstige Geister dem katholischen Glauben
wieder zuführte. Bei dieser Gelegenheit nahmen die Eltern
dieses jungen Mädchens die katholische Religion an, welcher
sie bis jetzt fromm obliegen; und sie erzogen ihre Tochter
in diesem heiligen Glauben, sowie auch deren Schwester,
welche etwas jünger war als sie. Sie war ungefähr neunzehn
Jahre alt, als sie von dem Geiste beunruhigt zu werden
begann; jetzt zählt sie deren zwanzig. Ungeachtet ihres
Geschlechtes und ihrer Jugend ist sie auffallend wohlanständig
; ihr Aeusseres ist ebenso ehrbar, wie ihre Gesinnung
, und sie besitzt jede Eigenschaft, welche nicht bloss
Katholiken, sondern auch Ungläubige empfehlen. Ihre
Dienstboten und andere Leute können von ihrer Frömmig-
*) Im Original heisst es Gmünd!
Psychische Studien. Mai 1908.
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