http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1908/0294
Kaindl: Metapsychische Phänomene aus alter Zeit. 283
er sie umarmen wollte; dieses verursachte ihr eine derartige
Aufregung, dass sie "genötigt war, sich zu Bett zu begeben,
und drei Wochen krank darniederlag*
Da sie nicht wusste, was sie tun sollte, suchte sie Rat
bei einem sehr frommen Priester vom Orden des heiligen
Franziskus strenger Observanz. Der letztere sagte ihr, dass
sie den Geist ansprechen müsse und ihn mit den Worten des
Psalmisten begrüssen sollte: „Lasst jeden Geist den Herrn
preisen!" Sie gehorchte und, als in der folgenden Nacht
der Geist wiederkehrte, sprach Regina diese Worte zu ihm.
Sofort entgegnete der Geist: „Und auch ich will den Herrn
preisen*" Das war der Anfang von Regina's Unterredungen
mit dem Geiste.
Kühn geworden bei der Hoffnung auf eine schnelle
Befreiung fragte Regina den Geist, was er von ihr verlange,
indem sie ihn versicherte, tun zu wollen, was immer auch
er von ihr begehren würde, wenn er ihr erst seinen Wunsch
ausdrücken würde. Darauf sagte der Geist, während seine
Stimme einen einschmeichelnden Ton annahm, ganz deutlich
die Worte: „Meine Tochter, um der Liebe
Gottes willen beschwöre ich dich, hinzugehen
und mein Weib aufzusuchen, auf dass
sie dir die zweihundert Gulden geben möge,
weil dieses Geld mein Blutlohn ist.41 Er
fügte bei, dass, als er noch am Leben war, er Gott gelobt
hatte, am Eingang in die Kirche eine Bildsäule der heiligen
Jungfrau der Trübsal (Mater dolorosa) aufzustellen, welche
ihren vom Kreuze abgenommenen Sohn auf den Knien
hält, und Kerzen nebst einigem Almösen für die Armen
zu spenden. Es war dessentwegen, dass er unglücklich
war und keine Ruhe finden konnte. Aber Regina, die befürchtete
, von ihm irregeführt zu werden, oder diesen
wunderlichen Auftrag nicht übernehmen wollte, entgegnete
ihm: „Gehe selbst hin und suche dein Weib auf, denn
das ist nicht meine Sache ltt Er antwortete ihr nicht, aber
sobald das Wort „Weib" ausgesprochen war, verschwand er.
Da jedoch Regina nicht überredet worden war, sich
dieses Auftrags zu entledigen, kam er nach etwa einem
Tag wieder, und flehte sie in Gottes Namen an, die Sache
auszuführen; aber sie weigerte sich abermals, indem sie
sagte: „Ich weiss nicht, wer du bist, noch was dein Name
sein mag.a — „Man nennt mich Clement Zwespenpauer"
lautete die Antwort. Dessen ungeachtet tat sie, da sie
weder Clement, noch das Haus, noch sein Weib kannte,
noch immer nichts. Wenige Tage nachher, um die gewöhnliche
Stunde in der Nacht kam Clement wieder und
19*
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1908/0294