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284 Psychische Studien. XXXV. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1908.)
bat sie nochmals aufs dringendste, sich aufzumachen und
sein Weib aufzusuchen. Jetzt endlich versprach sie, es zu tun.
Am Morgen, nachdem sie ihre Gebete gesprochen hatte,
ging sie aus der Stadt und fragte, wo sich Clement* Haus
befände. Es wurde ihr gezeigt. Sie ging hinein, und im
Gespräch mit der Witwe des verstorbenen Mannes bat sie
diese der Belästigung wegen um Entschuldigung, sagte je«
doch, dass sie durch Notwendigkeit gezwungen würde zu
kommen, indem Clement ihr jede Woche erscheine und zweihundert
Gulden verlange.
Die Witwe, welche höchst erstaunt war, sagte, dass sie
nie irgend etwas über dieses Geld gehört habe, fügte jedoch
bei, dass sie nicht zweifle, sondern es für Wahr halte, weil
ihre eigene Nichte, nachdem sie gestorben war, um das
Haus herum zu streifen und das Gesinde durch ihr Gespenst
zu erschrecken pflegte, so dass man in dieser Sache
den Hat der Kirche einholen musste. Regina erwiderte
hierauf, dass Clement eine Marienstatue gelobt habe. Die
Witwe bemerkte, sie würde daran denken. Aber Regina
sagte, das sei es nicht, was gewünscht würde; Geld wäre
erforderlich! Die Witwe versetzte, dass sie keines hergeben
würde, und die beiden Frauenzimmer schieden von
einander, ohne irgend eine Verständigung erzielt zu haben.
Als jedoch Regina** Onkel, der wie sein Weib ein Lutheraner
war, von dieser Angelegenheit vernahm, verbot er
seiner Nichte, sich noch weiter mit der Sache zu befassen.
Aber Regina ging und suchte Rat bei ihrem Beichtiger
aus der Gesellschaft Jesu und erzählte ihm unter Tränen
die ganze Begebenheit. Der Beichtvater versuchte sie zu
trösten und, um sie wieder zu beruhigen, versprach er ihr,
Clement9* Witwe selbst aufzusuchen, was er auch wirklich
tat. Aber obwohl er ihr den • traurigen Zustand der Sache
ihres Gatten begreiflich zu machen suchte, blieb die Witwe
unerbittlich. Dessenungeachtet kehrte der Geist wieder
und, da ihn Regina anflehte, sie in Frieden zu lassen, versetzte
er: „Ich werde von dir nicht ablassen,
bis du die Sache ausgeführt hast, und
ich will dir überall hin folgen, wohin du
gehst, da will auch ich hingehen.a Sie fuhr
fort, ihn aufzufordern, sie allein zu lassen} aber der Geist
wollte nicht von ihr lassen. Ueberdies waren die Menschen
so unbarmherzig gegen sie, wie der Geist, besonders die
Nichtkatholiken, welche behaupteten, dass alles, was sie
sage, blosse Fabeln und Einbildungen seien. Indessen gab
es einige Personen, welche ihr rieten, ein Mittel ausfindig
zu machen, um sich von dem Geist zu befreien, zum Bei-
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