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Kurze Notizen
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dann die Luftschichten, wo sich der Hagel bildete, so beeindruckt
hätte, da man bekanntlich auch Beispiele hat,
dass Hagelkörner alle möglichen anderen Bilder aufweisen.
Bs ist in der Tat mehr als bedauerlich, dass keiner der
zahlreichen Frommen sofort auf den Gedanken kam, eines
der sonderbaren Hagelkörner auf irgend eine Weise zu
konservieren oder zu photographieren, um so eine nachträgliche
exakte Untersuchung des „Wunders" zu ermöglichen.
c) Somnambule Spukphantome. Vor einigen
Wochen stellte sich (nach dem „Corriere della Sera",
Februar 19U8) dem Gerichte von Livorno ein Arbeiter, um
sich eines vor Jahren an einem Aibeitsgenossen begangenen
Giftmordes anzuklagen, als Motiv seiner Selbstanklage Gewissensbisse
und schreckhafte Erscheinungen des Ermordeten
angebend. Man schenkte dem Wanne jedoch keinen Glauben
, hielt ihn für krank und halluziniert und liess die
Sache auf sich beruhen. Dieser Vorfall veranlasst den
./Felegrafo", eine ähnliche Geschichte aus dem 15. Jahrhundert
in Erinnerung zu bringen. Fra Giovanni da Serra-
valie erzählt nämlich w seinem Kommentar zu Daniel „göttlicher
Komödie", den er dem Konzil von Konstanz vorgelegt
und den man im Jahre 1896 wieder ans Licht gezogen hat,
Folgendes: „Im Jahre 1395, als Fra Giovanni als Dozent
im Minoritenkloster zu Florenz gelebt, hatte ein Mann
seinen Gefährten im Schlafe ermordet, seiner Barschaft beraubt
und seinen Leichnam im Keller vergraben. Der Verbrecher
blieb unentdeckt, aber der Ermordete habe demselben
keine Ruhe gelassen und ihn durch wiederholtes Erscheinen
dermassen geängstigt und gequält, dass er nach
Verlauf von sechs Monaten seine verruchte Tat aus freien
Stücken gestand. Er wurde [ganz in derselben Weise wie
der Livorneser Arbeiter] als Halluzinant abgewiesen; erst
auf seine wiederholten Versicherungen hin, und nachdem er
die Stelle, an welcher der Ermordete begraben liege, bezeichnet
hatte, entschloss man sich, nachgraben zu lassen.
Der Leichnam befand sich wirklich an der bezeichneten
Stelle vergraben und der Mann wurde gehängt." — Diesen
Fall bringt Fra Giovanni mit jener Stelle im dritten Gesänge
der „Hölle" in Zusammenhang ? in welcher von den
verdammten Seelen gesagt wird:
Sie sind zur Ueberfahrt des Stroms bereit.
Bis dass in Wunsch sich kehre ihre Furcht,
Treibt sie die ewige Gerechtigkeit.
ßante, meint Fra Giovanni, habe mit psychologischem Scharfblick
erkannt, dass die Seele in ihrer jenseitigen Phase mit
einem Verlangen nach Erduldung der verhängten Strafe
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