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Peter: Die wissensehaf tl. Untersuchungen der Eus. Phänomene. 317
„Die grosse Mehrheit der Gebildeten hat niemals etwas
von mediumistischen Phänomenen gesehen. Die Medien
sind viel seltener, als die Jongleure und Prestidigitateure,
welche in den Theatern „arbeiten"; deshalb ist es nur
wenigen beschieden, mediumistischen Seancen beizuwohnen.
Dies trägt natürlich dazu bei, diese Phänomene mit Geheimnissen
zu umgeben und auf dieselben ein schiefes Licht
zu werfen. Das ist aber nicht die Schuld der Medien. Ich
möchte sagen, dass es vielmehr Schuld der Prestidigitateure
ist, dass sie mediumistische Phänomene nicht vorführen
können, wenn letztere, wie viele meinen, nur gewöhnliche *
Tricks sind. Ist es möglich, dass ein Prestidigitateur, welcher
Hunderte von Personen täuscht, nicht fähig ist, einen Tisch zu
heben oder einen Stuhl marschieren zu lassen, so dass man
glaubt, dass ersterer sich selbst hebt und letzterer selbst
geht? Die Wahrheit ist, dass es mehr als einer versucht
hat, aber dass der Betrug sofort entdeckt worden ist und
dass im Gegenteil ein „ehrlicher11 Prestidigitateur, welcher
ernsten und mediumistischen Seancen beigewohnt hat, gestehen
muss, dass er solche Phänomene nicht produzieren
könnte. Diese Phänomene, oder wenigstens mehrere derselben
sind eben von ganz anderer Art, als jene, mit
welchen die Jongleure das Publikum amüsieren» Das,
was also jene über die Phänomene denken, die
„nichts gesehen haben", ist völlig gleichgültig.
Diejenigen, welche „etwas gesehen haben" scheiden sich
in zwei Gruppen: die einen, welche aus den Seancen die
Ueberzeugung mitgenommen haben, dass alles Trick, oder,
wie der Lieblingsausdruck lautet, gemeiner Trick sei — dies
ist die Minorität; die anderen, die Majorität, konnten trotz
einer rigoros ausgeübten Kontrolle keinen Betrug entdecken
und da sie wissen, dass alles, was sie während der Sitzungen
gesehen, gehört und gefühlt haben, wirklich war, weder
Illusionen, noch Halluzinationen, so schliessen sie einfach,
dass die mediumistischen Phänomene wunderbar und nicht
nur der Beachtung, sondern auch des Studiums würdig
sind.
Nun ist es interessant, nachzuforschen, warum zwei
gebildete und schätzenswerte Persönlichkeiten, welche derselben
Sitzung oder verschiedenen Seancen beigewohnt haben,
zu ganz gegenteiligen Anschauungen kommen. Handelt es
sich um verschiedene Sitzungen — und das ist gewöhnlich
der Fall —, dann wird die Frage einfacher.
Jedes biologische Phänomen hat einen zusammengesetzten
Determinismus, und auf die Art und Weise, sich zu
manifestieren, sind nicht nur die äusseren Verhältnisse von
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