http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1908/0347
334 Psychische Studien. XXXV. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1908.)
„Nun verstehe mich wohl," sagte Mr. Gihert, „ich werde
dich jetzt mit blauem Wasser waschen; wenn die Warzen
nicht* binnen einer Woche verschwunden sind, werde ich
dich mit gelbem Wasser waschen. Komm her, Karl, bring
mir das blaue Wasser . . .a Am Ende der Woche kam
das Kind wieder; es waren nur mehr 2 oder 3 Warzen
vorhanden! Mr. Giberi wusch die Hände des Kindes mit
gelbem Wasser; wenige Tage später war die Haut vollständig
gesund." —
Man sieht in all diesen Fällen, wie gross das Reich
der Suggestion ist. Mr. Mangin führt nun über Heilungen
von Taubstummheit, Paralyse, Geschwür- und Krebserkrankungen
folgendes aus: Nach Prüfung der Dokumente
hält Myers die Heilung eines jungen Knaben von Taubstummheit
für authentisch. Die Heilung wurde von
Home erzielt und zwar ohne Anrufung eines Geistes, sondern
einfach durch Handauflegung. Ohne Zweifel kann
man die Heilung zum Teil auf Suggestion zurückführen.
Da es sich um Home handelt? ist es natürlich, zu vermuten,
dass das Phänomen grossenteils der heilenden Mediumschaft
des Mannes zugeschrieben werden müsse. Davon später!
Was nun die Lähmungen betrifft, so sind sie am
meisten diskutabel. Hier haben sehr erfahrene Aerzte allein
das Wort. Sie müssen sagen, wie weit die Autosuggestion
reichen kann. Es ist an ihnen zu entscheiden, ob selbst
im Falle Gargam die ßewegungsfähigkeit wirklich zerstört
war, ob die Lähmung organisch war oder ob nicht die beständige
Erinnerung an den schrecklichen Unglücksfall ihn
hat fälschlich glauben machen, dass er nicht fähig sei, sich
zu bewegen, zu reden und zu essen. —
Bezüglich der Geschwüre ist es nach Myers und Dr.
A. T. Myers zulässig, selbst bei Beulen, eiterigen Geschwüren
und brandigen Hautwunden an Autosuggestion zu glauben
als an einen Faktor, der hinreicht um die Heilung zu erreichen
, weil diese alles zu heilen vermag, was sie verursachen
kann. Dieser Schluss, sagt Mangin, scheint mir zu
weit gehend und zu rasch. Die Uebel, welche bisher durch
Autosuggestion erzeugt wurden, sind nicht zu vergleichen
mit den in Luurdes gesehenen Leiden. Es wäre doch lächerlich
und wirklich bequem, zu vermuten, dass die furchtbaren
Leiden einer Ctemenüne Trouve, einer Marie Lemar-
chancl, oder der Mme. Rouchel einer Autosuggestion zuzuschreiben
seien und wieder verschwanden, wie sie gekommen
waren. Ich gebe wohl zu, dass eine in ein schwaches Gehirn
eingepflanzte falsche Idee sogar den Tod verursachen
kann, und dass sich Erfüllungen von Wahrsagungen so er-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1908/0347