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Hansen: t Gerald Massey.
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deutsche Assyriologe p# Jensen, Professor an der Universität
Marburg, wenn auch auf anderem Wege, doch in der
Hauptsache zu demselben Fazit gelangt, indem er nämlich
in seinem 1906 erschienenen Werk: „Das Gilgamesch-Epos
in der Weltliteratur" (I. Teil) nach gelehrter und gründlicher
Untersuchung des alten und neuen Testaments aus-
findig macht, dass alle Wunder geschienten der Bibel, wie
in dem genannten alt - assyrischen Epos, zuguterletzt von
den Taten unserer lieben Sonne handeln, die als unüberwindlicher
Held dargestellt wird.
Die Herren Theologen, die speziell in Norwegen zurzeit
der „Konow - Streit" *) so eifrig in Atem hält, würden
besseren Gebrauch von ihren Kräften machen, wenn sie
Werke wie Massey1* „Ancient Egypt" und P. Jensen9^
„Gilgamesch - Epos" studieren wollten; manchem würden
dann wohl die Augen darüber aufgehen, dass sich die
Streitfrage nicht etwa bloss um solche Kleinigkeiten dreht,
wie ob eine menschliche Jungfrau ohne Verlust ihrer Jungfrauschaft
ein Kind geboren hat [das alte naturphilosophische
Problema der Parthenogenesis lu — KecL], sondern um die
viel weiter gehende Frage, ob nicht die ehrwürdige Theologie
alte Sonnenfabeln als Historie auftischt!**)
*) Ueber die Geburt Jesu von einer Jungfrau, — was doch im
Grund eine sprachwidrige „contradictio in adjecto" ist, wie ja so viel
Theologisches auf einen Streit mit Worten ohne Sinn hinausläuft.
D. V.
**) Mit dem überzeugend fesselnden — aber auch schon von
anderer Seite erbrachten — Nachweis, dass den christlichen sehr
ähnliche Ideen und Wundergeschichten, bezw. die fast gleichen
Mythen sich auch anderswo schon in den ältesten Zeiten vorfinden,
ist u. E. noch lange nicht bewiesen, dass solche Gedanken sich
nicht später speziell im Geist einer historischen, sittlich überaus
hochstehenden Persönlichkeit, deren sich bald nachher die uralte
Menschheitssage vom sieghaften Sonnenjüngling in der alexandri-
nisch-synkretistischen Form der hebräischen Messiasidee bemächtigte,
sammeln und so zu einer neuen, in ihrer eigenartigen Begründung
überall deutliche Spuren persönlich originellen Empfindens aufweisenden
Liebeslehre von eminenter weltgeschichtlicher Bedeutung
für den Kulturfortschritt konzentrieren konnten. Die Anhaltspunkte
zur Lösung der Hauptfrage, ob Jesus von Nazareth wirklich
gelebt und in dem Sinne, wie ihn die Evangelien und Apostelbriefe
— im Kern der urchristlichen Lehre von der überlegenen Macht
des reinen Geistes und der Verwerfung aller äusserlichen Gewaltmittel
wesentlich übereinstimmend — schildern, auf seine Umgebung
gewirkt habe, sind nach den Grundsätzen der historischen
Kritik ganz wo anders zu suchen; sie finden sich namentlich in den
Briefen des zweifellos historischen Paulus, worüber man nähere
Aufschlüsse in dem für Spiritualisten besonders wertvollen Buche
von Georg Sulzer: „Die Bedeutung der Wissenschaft vom Ueber-
sinnlichen für Bibel und Christentum* (Leipzig, Oswald Mutze, 1907)
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