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364 Psychische Studie*. XXXV. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1908.)
in diesen Erzählungen zuerst. „Der Tod des alten Dichters/1
so berichtete die Greisin, „kündigte sich seltsam an. Schon
acht Tage zuvor, als Goethe eben erkrankte, hörten die
Hausgenossen, dass in einem Nachbarhause Holz gehackt
wurde. Sie gingen hin und baten, dass man mit
der Arbeit innehalte, der Herr Geheime Bat sei krank.
Da war der Nachbar sehr erstaunt und beschwor, dass in
seinem Hause kein Holz gehackt sei. Es war Spuk gewesen
. Und in Goethe'% Hause hörte man immer wieder
das Geräusch von Spalten und Sägen, und manchmal war
es, wie wenn eine Menge Scheite die Treppe hinunterkullerten
. („B. Z. am Mittagtf Nr. 71, 2. Beilage vom
24. März 08.)
Literaturbericlit.
Nachstehend besprochene Werke sind zu Originalpreisen durch die Buch*
handlung Oswald Mutze, Leipzig, Lindenstrasse 4, zu beziehen.
A. Bücherbesprechungen.
Die Natur und wir. Leichtverständliche Aufzeichnungen von Dr. /.
Reinke, Professor in Kiel. Zweite Auflage. Berlin, Verlag von
Gebrüder Paetel. 1908. 238 S. 8°. Preis M. 5.—.
Auf ein solches Buch aufmerksam zu machen, ist eine wahre
Freude. Dem gebildeten Laien, der in das harmonische, durch unabänderliche
Gesetze geregelte und unserem Verstände doch so tief
verschleierte Walten der Naturkräfte eindringen will, bietet sich
der Verfasser als ein wohlunterrichteter und treuer Führer dar.
Freilich gehört er nicht zu denen, die sich gern als die Helden auf
dem Gebiete der Natur- und Geisteswissenschaft aufspielen, ausser
der materiellen, sinnlich wahrnehmbaren Welt nichts Weiteres und
Höheres anerkennen wollen, alles im Himmel und auf Erden erforscht
zu haben glauben und der grossen Menge nichts als Trugschlüsse
und unbewiesene Behauptungen an den Kopf werfen.
Der reiche Inhalt des Buches setzt sich aus folgenden Kapiteln zusammen
: Stimmen aus alter und neuer Zeit, der Stoff, Kraft und
Energie, der Makrokosmos, unser Planet, die Lebewesen, Anpassungen
, zum Problem des Lebens, Entwicklung, die Mannigfaltigkeit
der Lebensformen, die Abstammungslehre und der Mensch, der
Weg zum Wissen, die Empfindungen und ihr Träger, das Erkennen
, Erfahrung und Urteil, Kausalität und Finalitat, unser
Wissen ein Stückwerk. — Zur Charakterisierung des Geistes, aus
welchem das Buch geschrieben ist, mögen folgende Sätze dienen:
Die Naturwissenschaft ist noch jung im Vergleich zur Geschichte
der Menschheit. Die Möglichkeit, dass materielle Energie in
Denken oder in eine andere Kraft sich umsetzt, ist unvorstellbar.
Eine Entstehung auch des einfachsten Organismus, eines Klümp-
chens von Protoplasma, aus anorganischem Material kennt die Erfahrung
nicht, und die Theorie muss die Möglichkeit ihres Geschehens
in Abrede stellen. Auch die Denknormen und Denk-
£esetze des Menschen sind nicht weniger Anpassungen an die
ebensaufgaben des Menschen, als die Instinkte der Tiere an die
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