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460 Psychische Studien. XXXV. Jahrg. 8. Heft. (August 1908.)
Die Aussagen der zwei weiteren Gewährsmänner, des
Holzschnitzers Georg Scheibel und seines Gehilfen Tobias
Wenceslas sollten gleichfalls mit grosser Vorsicht aufgenommen
werden, weil zu bedenken ist, dass es ihr Gewerbe
war, von dem sie lebten, Bildsehnitzeveien für die
Kirchen anzufertigen (»per artes suas pepeli iconolatriae
subordinatas44). Wenn die Stadtwache im Pal ffy - Palast
Lichter bemerkte, so könnte man, selbst wenn ihre Angabe
auf Wahrheit beruhen sollte, behaupten, dass diese Lichter
bloss von einer natürlichen Ursache herrührten; denn der
ganze Wert dieser Tatsache liegt in der Behauptung der
Person, welche im Pal/fy-Palast wohnte und versicherte, dass
die Tore verschlossen worden waren. Obschon es ein Lutheraner
war, so ist dies kein Grund, seine Erklärung ohne
weiteren Beweis hinzunehmen, und überdies kann er leicht
selbst durch irgend eine List getäuscht worden sein. — An
einem der wichtigsten Punkte erweist sich die Kritik des
Verfassers als sehr mangelhaft. Es betrifft die Bewegung
des Tisches und des Kranzes, von dem es hiess, dass er in
der Luft schwebend gesehen wurde. Der Text dieser Stelle
lautet: „Quod alii praesentes strepitum quem et mensulae
motum perceperint et corollam per aerem delatam eon-
spexerint, id eos non facit idoneos testes; nec signa haec,
ad petitionem confessarii edita, praesentiam boni angeli in-
dubitate probant" („die Tatsache, dass andere anwesende
Personen ein Geräusch und die Bewegung des Tisches wahrnahmen
und sahen, wie der Kranz durch die Luft getragen
wurde, bildet keinen hinreichenden Zeugenbeweis und diese
Phänomene, welche sie auf Verlangen ihres Beichtvaters
ausführlich berichteten, sind keine zuverlässigen Anzeichen
von der Anwesenheit eines guten Engels.")
Oasselbe gilt von dem gewaltigen Schlage, den Regina
erhielt, von dem üblen Gerüche des Blutes, den es an den
Händen zurückliess, und von den heftigen Qualen, denen
er sie unterwarf; darin liegen, wie die Kritik sagt, ebenso-
viele Beweise, welche für die Gegenwart eines bösen Geistes
sprechen.
Zuletzt scheint die allgemeine Schlussfolgerung zwischen
der Alternative zu schwanken, dass es entweder ein blosser
Fieberwahn Regina'* oder die Wirkung eines bösen Geistes
gewesen ist. Tatsächlich nimmt jedoch der Kritiker in
einem toleranten Eklektizismus eine einigermassen kombinierte
Meinung an, nämlich dass es ein böser Geist, ja
der Teufel selbst war, der Regind% Geist verwirrte und welcher
der Urheber all der seltsamen Phänomene war, die beobachtet
wurden. —
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