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Keich: Die Frau der Zukunft
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die Nachkommenschaft frei von jenen Uebeln, welche zur
Geissei werden für die Sprösslinge der nicht aus Liebe,
sondern aus gemeinem Interesse und Zwang geschlossenen
Bündnisse. Beide Geschlechter betätigen sich ihren natürlichen
Anlagen, Fähigkeiten und Bedürfnissen gemäss, und
haben nicht die kleinste Neigung, nicht das leiseste Interesse
, sich anders, als naturentsprechend, zu betätigen.
Darum bleiben sie auch verschont von Krankheit und Entartung
, irren nicht in das Unheil und Verhängnis des sogenannten
dritten Geschlechts, liefern kein Kontingent an
Wahnsinn, Blödsinn, Selbstmord, Verbrechen und lassen
nichts von „Emanzipation der Frauen" vernehmen.
Geht diese letztere aber über die Bühne des grossen
Theaters der Menschheit, besonders in der Weise, wie der
Fanatismus solche begann, so werden die Frauen zu Ungeheuern
und reissen Männer und Kinder mit sich in das
Verderben. Traurig sähe dann das Bild der Frau der Zukunft
aus, ja geradezu abschreckend und hässlich! Alles
Ideale wäre verschwunden, aus edler Weiblichkeit wäre
roher Materialismus geworden, und ein Besucher aus anderen
Planeten hielte die Frauen für verkleidete Packträger,
Hausknechte, Zänker, Käufer und Stänken
In den oberen und reichen Klassen nähme die Entartung
so zu, dass zur Entbindung der Dame 12 Geburtshelfer
und 24 Hebeammen gehörten, selten die Angelegenheit
ohne Operation abginge, und man nicht mehr von
Wochenbett spräche, sondern von Monats- oder Jahresbett.
Keine dieser Frauen wäre mehr imstande, ihre Kinder zu
säugen, eine halbe Stunde lang zu gehen, laut zu sprechen
und sich selbst das Gesicht zu waschen. Alles wäre künstlich
und von Aerzten, Apothekern, Quacksalbern, Advokaten
und anderen innigen Freunden der Menschheit und
ihrer plutonischen Rundstücke beherrscht. Aus den Männern
entwickelten sieh wahre Memmen, und die aufwachsenden
Generationen würden so bösartig und niederträchtig, nervös
und entartet, dass sie einander gegenseitig bei jedem An-
lass tothauten oder mit dynamitgefüllten Behältnissen in
die Luft beförderten. % Alle Welt müsste alle Tage neu
ausgeflickt und gebuchbindert werden, um nur etwas Haltung
zu bewahren. Und die armen Klassen der arbeitenden
Bevölkerung müssten sich fest und stark vergesellschaften,
um nicht vollends viviseziert zu werden.
Unter solchen Umständen erschiene das Weib der Zukunft
als gefährliche Karikatur. Zugleich wüchse die besondere
Krankheitslehre, die man vor hundert Jahren in
drei Bänden ausgab, heute noch in sechs starken Oktav-
Psycbische Studien. August 1908. 32
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