http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1908/0547
534 Psych. Studien. XXXV. Jahrg. 9. Heft. (September 1908.)
Tat aber übernimmt er das Rächeramt und verfolgt den
Sünder, wie die Erinnyen. L e g b a ist der Liebesgeist, in
dessen Dienst Tausende von Priestern und Priesterinnen
stehen. Am gefürchtetsten sind Sasabonsum und sein
Weib Srahmantin. Sie regieren die ganze Hexenwelt
und sind gehasst von einem Ende West-Afrikas zum anderen
. Kein Mann darf sich rühmen, mit Sasabonsum verkehrt
zu haben; ihn sehen, heisst sterben; von ihm berührt
werden, bringt Fäulnis. —
Diese Geisterwelt der niederen Gottheiten wird nun
nach Ansicht des schwarzen Mannes fortwährend vermehrt
durch die Seelen der Verstorbenen. Der Neger glaubt
nicht nur, dass die Seele des Menschen r.ach dem Tode
weiterlebt, sondern er ist auch überzeugt, dass die Seelen
der Abgeschiedenen ihr Interesse an dem Dasein ihrer
Hinterbliebenen behalten und nicht aufhören, für sie zu
wirken. Die Vorstellung von dieben abgeschiedenen Seelen
oder Geistern ist unserer Anschauung vom „Astralleib" oder
dem „Perisprit" oder „Doppelgänger" ähnlich. Ueberraschend
ist die Ansicht der afrikanischen Naturvölker über das
Leben der Seelen im Jenseits.
Prof. W. Schneider sagt: „Nach der Todesanschauung
der Neger ist das Sterben nicht ein Erlöschen der Lebensflamme
bis auf ein Lebensfünkchen, das zur Fristung eines
Scheinlebens ausreicht, sondern der Uebergang zu einem
neuen und höheren Leben. Die abgeschiedenen Seelen, vom
groben Erdendasein zu einem übermenschlichen Sein und
Wirken erhoben, sind der gewöhnlichen Wahrnehmung entrückt
; dieselben führen aber nach wie vor ein wirkliches
Leibesleben, nicht bloss ein sensitives, sondern auch ein
vegetatives, sind daher auch sinnlichen Bedürfnissen unterworfen
und nach sinnlichen Genüssen begierig. Sie ergötzen
sich an der zartesten Würze oder Essenz, oder, wTie die
modernen Spiritisten sagen, am geistigen „Komplement" der
Speisen und Getränke, deren Rohstoff von den vertrauten
Seelendienern oder Priestern verzehrt wird, und bleiben an
manchen Orten die Eigentümer und Nutzniesser ihrer
Hinterlassenschaft. Endlich besitzen sie nebst der Fähigkeit
auch die Neigung, sich abermals einzukörpern, um
wieder sichtbar mit den Menschen zu verkehren. Die Art
ihres neuen Erdenlaufes und Wirkens ist selbstverständlich
mitbedingt durch die natürlichen Eigenschaften und Tätigkeiten
der von ihnen bei der Einkörperung erwählten Erscheinungswesen
.
Von den Banden einer bestimmten Leiblichkeit befreit
, sind sie in der Eingehung und in der Dauer neuer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1908/0547