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Literaturbericht. 617
Das vorliegende Heft ist der vorbereitende Teil; nicht die Lösung,
wohl aber die präzise Formulierung des Problems wird gegeben.
Um zu dieser Formulierung zu gelangen, wird zuerst das Problem
selbst entwickelt, dann die Gesamtheit aller jonischen und jonisch
beeinflussten Systeme bis Parmenides dargestellt und erst gegen
Schluss dieses Teiles in der durchgeführten Gegenüberstellung der
biographischen und legendären Tradition und der philosophischen
Systematik die Beziehung vor Augen geführt, welche zwischen der
überwuchernden Mystik und der philosophischen Systemgestaltung
bestand. Ob diese beiden Erscheinungsreihen nicht dennoch aus
einer gemeinsamen Urquelle verstanden werden können, ist eine
weitere Frage. Wimhold.
Handbuch des Hypnotismus. Seine Anwendung in Medizin, Erziehung
und Psychologie. Von Dr, Paul Joire, Professor am psychophy-
siologi/chen Institut zu Paris, Präsident der ,Sod*t4 universelle
d^tudes psychiques". Autorisierte deutsche Uebersetzung von Dr.
med. 0. von BoLenstern in Berlin. Mit 44 Demonstrations - Abbildungen
. 1. und 2. Auflage. Berlin 1908, S. W. 61, Marcus'&che
Verlagsbuchhandlung. 482 S. 8°. Ohne Angabe des Preises.
Das vorstehende Lehrbuch des Hypnotismus, von berufener
Seite verfasst, deren persönliche Erfahrung und Fähigkeit der Mitteilung
anderen gegenüber wohl nicht zu überbieten sein dürfte,
tritt ehrenvoll, wohl als primus inter pares, in die Beihe der
den gleichen Stoff behandelnden literarischen Erscheinungen. Was
uns Okkultisten an dem von echt wissenschaftlichem Geiste erfüllten
Werke besonders interessieren und erfreuen muss, das ist
das unerschrockene und lebhafte Eintreten des gelehrten Verfassers
für die Tatsächlichkeit der Telepathie, der Gedankenübertragung,
der geistigen Suggestion (übersinnlichen Gedankenübertragung), der
Veräusserlichung der Sensibilität und der Kraft. *) Und zwar begnügt
sich Prof. Joire nicht mit dem einfachen Bekenntnis seiner
persönlichen Ueberzeugung, sondern er tritt kurz und bündig den
Beweis für die Tatsächlichkeit der genannten Erscheinungen an
und zwar in einer Weise, dass ihn jeder vorurteilslose Gelehrte als
durchaus gelungen anerkennen muss. Das Buch ist im höchsten
Grade unterrichtend und im allgemeinen, gebildete Leser vorausgesetzt
, auch gemeinverständlich geschrieben. Die Uebersetzung ist
tadellos. Nur Druckfehler wie „Biaid* statt „Braid* (S. 155) möchten
in der nächsten Auflage, deren Erscheinen wir bei der Vortrefflichkeit
des Werkes in Bälde erwarten dürfen, vermieden werden.
Freudenberg-Dresden.
Das Wesen des Genies. Von Dr. Karl August Gerhardt' Mit einem
Anhange: Das Genie und seine Beziehungen zum altsprachlichen
Unterricht. 3. Auflage. Verlag von Oscar HeUmann, Leipzig und
Jauer. 149 S. 8°. Preis M. 2.40.
Verfasser, ein Mediziner, sucht in der aus einem Vortrage
hervorgegangenen Broschüre den Nachweis zu führen, dass das Genie
sich vom Durchschnittsmenschen nicht qualitativ unterscheidet, nichts
Psychopathisches ist, wie Lombroso u. a. wollen, sondern durch quantitativ
bedeutendere Ausbildung von drei bei jedem Menschen sich
findenden Eigenschaften sich bildet, nämlich durch Leidenschaft,
Phantasie und Urteilskraft. Leidenschaft ist die Ursache des
Fleisses, den alle genialen Menschen auf ihrem Arbeitsgebiete schon
von frühester Jugend an zeigen; Phantasie ist das unerklärbare
*) Das Studium der psychischen Kräfte wird der Gegenstand eines in
kurzem erscheinenden Werkes Prof. Dr. Joire's sein. — Anm. des Ref.
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