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644 Psych. Studien. XXXV. Jahrg. 11. Heft. (November 1908.)
photophobisehen (lichtscheuen) Zustand der Empfindlichkeit
; sie hat dann häufig Halluzinationen, verfällt in Deli-
ro sie sich verfolgt glaubt und von den Anwesenden'
erfleht, obschon ihr niemand etwas zu Leide tut.
Sie erleidet dann auch ernstliche Verdauungsstörungen, so
1 dass sie, wenn sie vor der Sitzung gespeist hat, von Uebel-
keij^ad^ zuletzt bieten ifrerBeine
d^ErMheinung^ einerjwir¥licMn Paralggg (Lähmung)_dar,
.SQ^.dass^ es nötig"Ist, jie. wegzutragen und auszukleiden.
$ Diese Störungen" werden noch viel ärger ,* wenn sie durclT
die Unbesonnenheit eines Sitzungsteilnehmers während der
Sitzung einer plötzlichen Beleuchtung ausgesetzt wird, was
uns an die pythischen Priesterinnen von Delphi erinnert,
deren Lebensdauer, wie uns die Geschichte berichtet, durch
ihren Prophetenberuf verkürzt wurde, sowie an den traurigen
Fall der Mrs. d'Esperance, welche einmal während
' einer Sitzung plötzlich einem blendenden Lichte ausgesetzt
wurde und infolge dieser Unklugheit mehrere Jahre hindurch
gelähmt blieb, —
Dies alles, sowie auch die Tatsache, dass sie von den
Phänomenen, welche sie im Trance hervorbringt, keine Erinnerung
bewahrt, drängt uns zu dem Schlüsse, dass wir
diesen Trance tatsächlich als eine Art Hysterie, als eine
neue Form von hysterischem Anfall zu betrachten haben,
geradeso wie wir die Genialität, nach meiner Meinung, als
eine Art Psychose ansehen und mit den epileptischen Anfällen
von neurotischer und morboider Natur zusammenstellen
müssen.
Dies ist auch der Grund, warum Professor Lucateilo
von Padua bei dem Medium Zuccarini eine vollständige Un-
empfindlichkeit der Haut gegen Schmerz vorfand und bei
ihm durch blosses Reiben des Kinnes Somnambulismus, sogar
bis zum Eintritt von Katalepsie, hervorzurufen vermochte
. (Professor Patrizi hatte bei demselben Medium
schon andere, der Hysterie eigentümliche Anomalien beobachtet
) Dies tut jedoch den mediumistischen Fähigkeiten
in keiner Weise Abbruch, sondern macht sie im
Gegenteil noch wahrscheinlicher und zum teil begreiflicher,
geradeso wie, meiner Ansicht nach, die Wunder der
Genialität durch die Begleiterscheinung gleichzeitiger Neurose
erklärlich werden.*)
*) Hier scheint mir eine Verwechselung von „causa* und „conditio
* vorzuliegen Ich für meinen Teu ziehe die Erklärung
du Prel'a vor, welcher die Genialiät auf das Unbewusste (die
Seele) zurückführt. In seiner „Entdeckung der Seele* (I, S. 6)
äussert er sich hierüber u. a. wie folgt: „Es ist das Bekenntnis aller
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