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Kaindl: Eusapia Paladino und der Spiritismus.
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2. Untersuchung mit Kontroll-Apparaten.
Wir können in der Lösung der Probleme der Mediumschaft
auch nicht um einen kleinen Schritt vorwärts kommen,
wenn wir nicht die hier erwähnten registrierenden
Apparate anwenden, welche allen falschen Urteilen
und allen Suggestionsmöglichkeiten oder sonstigen
Beeinflussungen begegnen und welche heutzutage die Hilfsmittel
bei Lösung der wichtigsten und schwierigsten wissenschaftlichen
Probleme sind. *
Die ersten Forscher, welche diesen Weg betraten,
waren Kare und Crookes, und ich selbst beobachtete schon
vor mehreren Jahren, wie während des Trances die Energie
eines Dynamometers, das sich ungefähr einen Meter vom
Medium entfernt befand, unter der Einwirkung einer ätherischen
Hand von 36 kg, die es vor dem Trance angezeigt
hatte, auf 42 kg gesteigert wurde, und wie bei hellem /
frossen Künstler, dass ihnen ihre Bilder ungesucht kommen, gleich
nspirationen, wobei also der Entstehungsprozess im Un-
bewussten verläuft, nur das fertige Eesultat ins Bewusstsein tritt,
das sich also passiv verhält, nicht aktiv, empfangend, nicht erzeugend
. Die erzeugende Kraft liegt also im Unbewussten, was freilich
eine bloss negative Bezeichnung der Ursache ist. Eine Nacht,
in der alle Kühe schwarz sind, kann aber die Philosophie als Erklärungsprinzip
nicht brauchen. Einen positiven Inhalt erhalten
wir erst dann, wenn wir das Unbewusste mit der Seele
identifizieren, von der wir zwar wissen, dass sie ausserhalb
des Bewusstseins liegt, die aber in den mystischen Erscheinungen
doch empirisch wird. Wird nun aber die Seele monistisch gedacht,
so müssen sich auch in ihrer künstlerischen Tätigkeit ihre beiden
Funktionsrichtungen, Organisieren und Vorstellen, verschmolzen
zeigen; denn der begrifflichen Trennung, die nur des
besseren Verständnisses halber geschieht, entspricht keine reale
Trennung. Was würde nun aber das Resultat sein, wenn die Seele
in der künstlerischen Vorstellung auch organisierend eingreifen
würde? Damit raüsste notwendig eben das erreicht werden, was
man vom wahren Künstler als höchste Anforderung verlangt: die
Erzeugung lebenswahrer Bilder. Die Vorstellungen des Künstlers
sind nicht gleich toten Gedächtnisbildern, sondern sind von Leben
durchbebt. Dasselbe organisierende Prinzip, das den Künstler selbst
gebildet hat, durchsetzt also auch die Vorstellungen seines Gehirns
und verleiht ihnen ihre Lebenswahrheit. Wenn Shakespeare im
„Wintermärchen* sagt: „Die Kunst ist selbst Natur", so heisst das
in genauerer Definition, dass an den künstlerischen Vorstellungen
das organisierende Prinzip mitbeteiligt ist. Bei der Gestaltung der
Kinder seiner Phantasie ist die Seele des Künstlers, wie bei seinen
leiblichen Kindern, organisierend tätig, und erst dadurch werden
sie so lebensfähig, wie etwa Shakespeare^ Falstaif, ein Moses des
Michel Angelo, oder die Jünger Jesu im Abendmahle des Leonardo»
da Vinci" {Du Frei: „Die Entdeckung der Seele durch die Geheim
Wissenschaften/ Ernst Günther'^ Verlag, Leipzig 1906.) D. Ü.
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