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Spiritistisches aus Belgien.
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barungen der von dem breitschulterig robusten, vierzigjährigen
Amerikaner produzierten Spirits; diese zeigen genau
so wenig Originalität, sind ebenso unfähig, sich über
den geistigen Horizont des Mediums zu erheben oder in
einer anderen Sprache als der seinigen zu reden [unrichtig!
— Red.], wie alle Spirits und Kontrollgeister der Medien
vor Miller. Was dieser vor seinen Fachgenossen aber voraus
hat, ist seine so vollendet verfeinerte Technik, dass sie
wirklich das Unglaubhafteste wahrscheinlich und schwache
Zweifler zu starken Gläubigen machen kann. Die Sitzung
fand statt in dem grossen Zimmer eines Restaurants.
Durch schwarze, bewegliche Vorhänge war in der dem
Fenster und der Türe des Raumes gegenüberliegenden
Ecke ein kleines Kabinett gebildet worden; vor diesem auf
einem einfachen Stuhl nahm zu Beginn der Sitzung das
Medium Platz. In etwa zwei Meter Entfernung um das
Kabinett herum sassen, dieses also einschliessend, auf drei
Stuhlreihen die Zuschauer. Im Zimmer herrschte Halbdunkel
, und man sah Miller, in Schlaf verfallen, die Hände
auf den Knien ruhend. Alsbald liess sich innerhalb der
Vorhänge eine weibliche Stimme hören. Es ist Betsy,
Miller's Kontrollgeist. Jedes Medium hat einen solchen
oder mehrere, die beständig mit ihm sind, die fremden
Geister rufen, vorstellen, alles anordnen, überwachen und,
wenn missliebige, störende Elemente zugegen sind, ihren
Unwillen sehr deutlich äussern. Also Betsy kündigt das
Erscheinen eines Geistes an, und wirklich formt sich in
weisslichem Lichtschimmer anscheinend vor dem schwarzen
Vorhange eine weibliche Gestalt, die sich flüsternd Margue-
rite Dewst nennt und bald darauf wieder in nichts zerrinnt.
Eine zweite, wie in weisse Schleiergewänder gehüllte, zart
jugendliche Gestalt erscheint. Sie nennt sich Juliette. Eine
Dame in der vordersten Reihe fragt sie, ob sie der Geist
der kürzlich verstorbenen Tochter einer Freundin sei.
Julielte bejaht. Die Dame kniet nieder und bittet, sehr bewegt
, die Erscheinung, sie zu umarmen. Die Lichtform
nähert sich der Dame; man hört das leise Geräusch eines
Kusses, den die Dame wie einen Hauch fühlt. Juliette verschwindet
und wird gefolgt von mehreren anderen männlichen
und weiblichen Erscheinungen, die niemand kennt
und die sich schnell wieder verflüchtigen. Jetzt zeigt sich
schwebend über dem Kopfe des Mediums, des dicht neben
ihm sitzenden Chevalier Clement de Saint-Marcq und des Redakteurs
vom „Soiru eine deutlich erkennbare schimmernde
Hand. Im Innern der Vorhänge erhebt sich Belsy's Stimme,
das Medium auffordernd, bei ihr Platz zu nehmen. Miller
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